Linksjugend: »AfD buddelt im Schlamm«
Sächsische Rechtsaußen-Partei arbeitet Verfassungsschutz-Berichte sämtlicher Bundesländer durch / LINKE-Politiker: Parteijugend ist etabliert
Die sächsische AfD ist besorgt. Wegen des »Linksextremismus« in Deutschland. Interessanterweise beschäftigt sich der Landesverband in letzter Zeit weniger mit der Arbeit linker Gruppen in Sachsen selbst, sondern untersucht die Verfassungsschutzberichte in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Bayern auf Äußerungen zur Linksjugend solid.
»Laut Verfassungsschutzbericht 2015 geht die Linksjugend u.a. davon aus, dass der kapitalistische Staat Faschismus hervorbringe und deshalb gegen den Staat und vor allem gegen die Angehörigen der Sicherheitsbehörden vorgegangen werden müsse.« Das schreibt die Landesabgeordnete Andrea Kersten in einer Erklärung vergangene Woche. Nur steht im Bericht des Bundesamts für Verfassungsschutz (VS) 2015 nichts zur Linksjugend – weil er sie gar nicht beobachtet. Auch im sächsischen Landesbericht kümmert sich der Geheimdienst nicht weiter um solid. Darauf hat das »nd« am Montag hingewiesen.
Nun antwortete die medienpolitische Sprecherin der sächsischen AfD-Fraktion Kirsten Muster auf diesen Beitrag: Es ginge der Rechtsaußen-Partei doch gar nicht um die Berichte im Bund oder in Sachsen, sondern um ganz andere, nämlich diejenigen zur Linksjugend in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Bayern aus den Jahren 2014 und 2015, erklärt Muster. Darin seien die jeweiligen Landesverbände von solid unter den »offen extremistischen Strukturen« der Partei die Linke erfasst.
Dass Linksjugend/solid in diesen Ländern beobachtet wird, stimmt. »Was hat die sächsische AfD mit den politischen Strukturen in anderen Bundesländern zu tun?«, fragt sich allerdings Marie Wendland, Jugendkoordinatorin der Linksjugend Sachsen, gegenüber »nd«. Es gleibt zudem die Frage: Woher stammt der Satz, »dass der kapitalistische Staat Faschismus hervorbringe und deshalb gegen den Staat und vor allem gegen die Angehörigen der Sicherheitsbehörden vorgegangen werden müsse«?
Die Linksjugend in Verfassungsschutzberichten
»Ich habe sämtliche Verfassungsschutzberichte 2014 und 2015 durchgekämmt, vom Bund und allen Ländern – insgesamt sind es 34 – und solch ein Satz findet sich nirgends«, sagt Thomas Dudzak aus dem Landesvorstand der LINKEN Sachsen auf »nd«-Anfrage.
Tatsächlich ist die Linksjugend/solid im nordrhein-westfälischen Bericht 2015 zusammen mit anderen Zusammenschlüssen innerhalb der Linkspartei wie »marx21« oder der »Kommunistischen Plattform« aufgezählt. Darunter fasst der VS zusammen: »Gemeinsam ist – in unterschiedlicher dogmatischer Schärfe – diesen Zusammenschlüssen, dass nicht nur das ‘kapitalistische System’ in der Bundesrepublik Deutschland überwunden werden soll, sondern eine sozialistische Staats-, Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung in Deutschland angestrebt wird, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht mehr zu vereinbaren ist.«
Keine Rede also von einem anvisierten Vorgehen gegen die »Angehörigen der Sicherheitsbehörden« – übrigens auch nicht im Bericht aus Bayern: »Das Programm sieht die Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln vor«, steht da nur. Etwas radikaler wird die Unterorganisation der »Revolutionären Linken in solid« in Hamburg zitiert, die als Ziel formuliert habe, »eine neue Generation junger revolutionärer Kräfte zu organisieren, die dazu in der Lage ist, den Kapitalismus zu stürzen und durch eine demokratische, sozialistische Ordnung zu ersetzen.« Doch auch hier wird nicht dazu aufgerufen, gegen die Polizei vorzugehen, wie die AfD dies unterstellt.
Es bleibt dabei: Die Sätze, die die sächsische AfD aus einem Verfassungsschutzbericht 2015 zitiert haben will, sind nirgends zu finden. »Die AfD buddelt im Schlamm, mit dem Ziel, irgendetwas gegen die Linksjugend Sachsen zu finden, mit dem sie um sich schmeißen kann«, meint dazu Wendland. »So funktioniert kein politisches Miteinander.«
Linksjugend, Junge Alternative und der Ring politischer Jugend
Der LINKE-Politiker Thomas Dudzak mutmaßt, die Aufregung könnte mit dem Ring politischer Jugend (RpJ) in Sachsen verbunden sein, dem Zusammenschluss aus Parteijugenden, in dem die Linksjugend nach jahrelangen Diskussionen 2007 aufgenommen wurde. Als Mitgleid des RpJ organisiert die Linksjugend politische Bindungsveranstaltungen mit, die von dem Land selbst gefördert werden. Dass das der AfD ein Dorn im Auge sei, so Dudzak, könne damit zusammenhängen, dass die Junge Alternative nicht so etabliert wie die Linksjugend sei.
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