Heiße Adresse für Investoren

Laut Wohnmarktreport stiegen die Angebotsmieten im vergangenen Jahr um 5,6 Prozent

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Mieten in Berlin sind im vergangenen Jahr auf einen Mittelwert von neun Euro nettokalt pro Quadratmeter gestiegen. Das bedeutet ein Plus von 5,6 Prozent zum Vorjahr bei Neuvermietungen, wie aus dem am Mittwoch vorgestellten Wohnmarktreport des Immobilienfinanzierers Berlin Hyp und des Weltmarktführers für Immobiliendienstleistungen CBRE hervorgeht. Bei Neubauten waren es demzufolge zwölf Euro. 2015 betrug die Steigerungsrate lediglich 2,3 Prozent. Dabei handelt es sich nicht um Durchschnitts-, sondern um Medianwerte. Das heißt, jeweils 50 Prozent der Objekte liegen darunter oder darüber. Für den Wohnungsmarktreport wurden 83 000 Miet- und 62 000 Kaufangebote ausgewertet.

Verantwortlich für diese deutschlandweit einmalige Dynamik sind laut BerlinHyp-Vorstand Gero Bergmann vor allem die rasante Bevölkerungsentwicklung bei gleichzeitig unzureichendem Neubau in der vergangenen Dekade. So wuchs die Einwohnerzahl zwischen 2005 und 2015 um 270 000 Menschen, im gleichen Zeitraum wurden aber lediglich rund 73 000 Wohnungen fertiggestellt. Dem im Vergleich zu anderen Großstädten überproportionalen Anstieg der Angebotsmieten steht in Berlin eine vergleichsweise geringe Kaufkraft gegenüber.

Der Branche ist das egal. Man sehe aufgrund der großen Anziehungskraft Berlins »nach wie vor Luft nach oben«, so der Deutschland-Chef von CBRE Henrik Baumunk. Angesichts der im nationalen und europäischen Vergleich immer noch moderaten Miet- und Kaufpreise und der »politischen Instabilität in vielen EU-Ländern« bleibe Berlin für viele Investoren eine »heiße Adresse«. Gefahren für die soziale Entwicklung der Stadt sieht Baumunk nicht und verwies dabei auf die Durchschnittsmieten bei Bestandsverträgen, die bei 6,20 bis 6,50 Euro nettokalt pro Quadratmeter liegen.

Die Entwicklung der Angebotsmieten verlief in Berlin auch 2016 nicht einheitlich. Die höchsten Steigerungen wiesen Neukölln und Marzahn-Hellersdorf mit 17,1 beziehungsweise 10,2 Prozent auf. Am Ende der Liste stehen Tempelhof-Schöneberg und Charlottenburg-Wilmersdorf mit 3,6 beziehungsweise 2,7 Prozent. Am teuersten wohnte man 2016 in Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte, vergleichsweise günstig dagegen in Marzahn-Hellersdorf und Spandau. Auch innerhalb der Bezirke gibt es deutliche Unterschiede. Unter den fünf Quartieren mit den höchsten Anstiegen befinden sich drei in Neukölln-Nord. Spitzenreiter ist der Richardplatz mit 32,4 Prozent. Dagegen scheint in einigen hochpreisigen Lagen in Prenzlauer Berg und in Friedrichshain-Kreuzberg »ein gewisser Sättigungsgrad« erreicht zu sein, so Bergmann.

Vergleichsweise wenig Einfluss auf die Mieten haben laut dem Report Instrumente wie die Mietpreisbremse und der Milieuschutz. Vielmehr gebe es einen starken Trend zur Vermietung möblierter Wohnungen, mit denen deutlich höhere Mieten als die laut Mietspiegel zulässigen Kaltmieten erzielt werden könnten.

Für Joachim Oellerich von der Berliner Mietergemeinschaft sind die neuen Zahlen zur Mietenentwicklung keine Überraschung. »Der Wohnungsbau muss schleunigst angekurbelt werden und zwar in Größenordnungen, die weit über die Ziele der rot-rot-grünen Koalition hinausgehen«, sagt Oellerich. Auch die Förderinstrumente für den sozialen Wohnungsbau seien unzulänglich. Um dauerhaft preiswerten Wohnraum zu schaffen, müsse endlich ein ambitioniertes Programm auf den Weg gebracht werden. Die Förderung privater Investoren zwecks temporärer Mietdeckelung eines kleinen Teils neu gebauter Wohnungen sei dagegen nur »Flickschusterei«.

Der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild, forderte den Senat in Reaktion auf den Bericht auf, »umgehend eine Bundesratsinitiative zur Verbesserung des Mieterschutzes zu starten, um die Bundesregierung unter Druck zu setzen«.

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