Arzt nach Sterbehilfe freigesprochen
Gericht entschied, dass der Patientenwille zu beachten sei - Revision vor Bundesgerichtshof angekündigt
Ein Berliner Arzt ist in einem Prozess um Sterbehilfe freigesprochen worden. Der 68-Jährige habe einer 44 Jahre alten und unheilbar kranken Patientin bei ihrem Suizid geholfen, sich dabei aber nicht strafbar gemacht, entschied das Landgericht Berlin am Donnerstag. Dem Arzt sei kein »aktives Tun« nach Eintritt der Bewusstlosigkeit der Patientin vorzuwerfen. Auch das Unterlassen von Rettungsmaßnahmen sei nicht strafbar gewesen. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Geldstrafe von 18 000 Euro wegen »versuchter Tötung auf Verlangen durch positives Tun«, die Verteidigung Freispruch beantragt. Als das Urteil verkündet wurde, klatschten Zuhörer.
Die Staatsanwaltschaft kündigte umgehend Revision an, damit sich jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) mit dem Fall beschäftigt. Der Arzt sagte nach dem Urteil, ihm sei »ein Stein vom Herzen gefallen«. Er kämpfe für die Liberalisierung der Sterbehilfe und habe sich »in ethischer und moralischer Hinsicht richtig verhalten«. Die Familie der Frau habe ihm keinerlei Vorwürfe gemacht. »Der Patientenwille ist zu achten«, führte die vorsitzende Richterin Bettina Sy aus. Die Patientin habe sich »frei verantwortlich« nach einer jahrelangen Leidenszeit für einen Suizid entschieden. Der damalige Hausarzt habe der Frau im Februar 2013 ein starkes Schmerzmittel verschrieben. Die Tabletten habe sie allein geschluckt.
»Beihilfe zum Suizid ist nicht strafbar«, erklärte die Richterin. Nach der Einnahme einer laut Gutachten mehrfach tödlichen Dosis habe die Frau ihren Arzt informiert. Er habe sie bewusstlos in ihrer Wohnung gefunden und »wie verabredet« ihr Sterben begleitet. Neunmal sei er bis zu ihrem Tod bei ihr gewesen und habe der Bewusstlosen auch ein Antibrechmittel injiziert, um ein Erbrechen und qualvolles Ersticken zu verhindern. »Das aber war kein den Todeseintritt förderndes aktives Tun.«
Auch »hochemotionale« Telefonate mit Angehörigen der Familie der Frau nach Einnahme der tödlichen Dosis hätten »nicht die Qualität des Abhaltens von Rettungsmaßnahmen« gehabt, heißt es in dem Urteil weiter. Der Sohn der 44-Jährigen hatte erklärt: »Den Willen meiner Mutter zu akzeptieren, war meine Entscheidung.« dpa
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!