Gysi: Bundesregierung muss im Syrien-Krieg vermitteln

Frankreich will Russland und die Türkei an den Verhandlungstisch holen / Maas: »Wir versuchen, den politischen Prozess neu aufzusetzen.«

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Berlin. Nach den Luftangriffen westlicher Staaten auf Syrien starten Frankreich und Deutschland eine diplomatische Friedensinitiative. Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron sagte am Sonntagabend, er wolle Russland und die Türkei an den Verhandlungstisch holen. Außenminister Heiko Maas betonte, es könne nach jahrelangem Krieg nicht so weiter gehen. »Wir versuchen, den politischen Prozess neu aufzusetzen.«

Die USA bleiben dagegen hart gegenüber Russland. Die US-amerikanische UN-Botschafterin Nikki Haley kündigte bereits für Montag neue Sanktionen gegen russische Firmen an. Sie richten sich demnach gegen Unternehmen und deren Produkte, die in Verbindung mit dem syrischen Staatschef Baschar al-Assad oder dem Einsatz von Chemiewaffen stehen.

Die USA, Großbritannien und Frankreich hatten in der Nacht zum Samstag als Vergeltung für einen mutmaßlichen Giftgasangriff bei Damaskus mindestens 105 Marschflugkörper auf mindestens drei Ziele abgefeuert. Die Staaten machen die syrische Regierung für einen Gasangriff am 7. April in der Stadt Duma verantwortlich. Syrien und seine Schutzmächte Russland und Iran weisen das zurück.

Seit 2011 sind nach UN-Angaben in dem Bürgerkrieg mehr als 400.000 Menschen getötet worden, Millionen sind im In- und Ausland auf der Flucht.

Macron nannte es die Aufgabe Frankreichs, »mit allen zu sprechen«. Weiter wies er in dem Interview der Sendern BFMTV und RMC sowie der Internetzeitung »Mediapart« auf seine Gespräche mit US-Präsident Donald Trump hin. »Wir haben ihn überzeugt, dass es nötig ist, (in Syrien) zu bleiben«, sagte der 40-Jährige mit Blick auf Trumps Ankündigung, Truppen aus dem Bürgerkriegsland abziehen zu wollen. Frankreich habe Washington auch überzeugt, die Militärschläge auf Chemiewaffeneinrichtungen zu beschränken.

Frankreich will bereits am Montag mit einer umfassenden UN-Resolution einen neuen Anlauf zur Entschärfung des Syrienkonfliktes unternehmen, wie es aus Diplomatenkreisen in New York hieß. Wann es zu einer Abstimmung im UN-Sicherheitsrat kommen könnte, war zunächst unklar. Die Ausgangslage ist schwierig, denn allein seit Mittwoch sind dort vier Resolutionen zu Syrien gescheitert.

Der Entwurf Frankreichs soll nach dem Willen Macrons die drängendsten Fragen auf einen Schlag angehen: Das syrische Chemiewaffenprogramm soll nachweisbar beendet werden und es soll geklärt werden, wer für jüngsten Giftgasangriffe verantwortlich ist. Eine landesweite Waffenruhe und ein gesicherter Zugang für Helfer sollen dann den Weg zu einer langfristigen politischen Lösung ebnen.

Frankreich will die diplomatische Initiative am Montag parallel auch beim Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg vorantreiben.

Der Exekutivrat der Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen (OPCW) tritt am Montag in Den Haag zu einer Sondersitzung über Syrien zusammen. Ein OPCW-Team versucht derzeit in Syrien den Vorwurf aufzuklären, Regierungstruppen hätten das Giftgas in Duma eingesetzt.

Maas sagte in der Sendung »Berlin direkt«, Deutschlands sei wegen einer Beteiligung an den Luftangriffen am Wochenende nicht angefragt worden, wohl aber wegen der nun geplanten politischen Initiative.

Zu den Erfolgsaussichten äußerte sich der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter sehr skeptisch. Er sagte der »Schwäbischen Zeitung«: »Solange die entscheidenden Akteure, Russland und Iran, kein Interesse an weiteren Friedensverhandlungen in Genf unter dem Dach der Vereinten Nationen haben, sind die Europäer zu Zuschauern degradiert.« Und die USA verhielten sich weder strategisch noch suchten sie den Schulterschluss mit Europa. Auch die Haltung der Bundesregierung zeuge von »Ratlosigkeit und Strategielosigkeit«, sagte er. »Auf der einen Seite wollen wir dort militärisch aus guten Gründen nicht eingreifen, auf der anderen Seite heißen wir militärische Einsätze anderer gut.«

Die Luftangriffe hatten nach US-Angaben gegen eine Forschungseinrichtung des Militärs in Barsah bei Damaskus, eine Lagerstätte für Chemiewaffen westlich der Stadt Homs sowie ein weiteres Depot nahe Homs zum Ziel. Die USA und Frankreich machten klar, erneut angreifen zu wollen, wenn wieder Chemiewaffen zum Einsatz kommen sollten.

Der russische Präsident Wladimir Putin warnte daraufhin vor weiteren Angriffen, die nach seinen Worten die UN-Charta verletzen würden. Sollten sie fortgeführt werden, entstehe internationales »Chaos«, sagte er einer Kremlmitteilung zufolge am Sonntag in einem Telefongespräch mit dem iranischen Präsidenten Hassan Ruhani.

Der Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin sieht im Militärschlag der Westmächte gegen Syrien vor allem einen Befreiungsversuch von US-Präsident Donald Trump aus internen Problemen. »Es war eine klassisch innenpolitisch motivierte Aktion«, sagte Trittin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Die USA hätten Syrien mehr oder weniger aufgegeben. Sie seien dort zwar noch militärisch aktiv, aber die Bemühungen für eine Nachkriegsordnung fänden de facto ohne sie statt.

Der SPD-Außenpolitiker Karsten Voigt äußerte sich in der »Heilbronner Stimme« (Montag) ebenfalls kritisch über Trump: »Die im Vergleich zu Trumps Ankündigungen militärisch und zeitlich wesentlich begrenztere Intensität des Einsatzes zeigt, dass Trumps Berater vernünftiger sind als der Präsident selbst.«

Der Chef der Europäischen Linken, Gregor Gysi, schlug die Bundesregierung als neutralen Vermittler in dem Krieg vor. »Ich wäre glücklich, wenn meine Regierung eine neutrale Vermittlerrolle einnehmen würde«, sagte Gysi der »Rheinischen Post« (Montag). Deutschland müsse sich als global denkender NATO-Partner und mit der Kraft einer ganzen Regierung dafür anbieten. Die Bundesregierung müsse sich neutral verhalten und weder für die einen noch für die anderen Stellung beziehen. dpa/nd

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