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»Ich mache meinen Job genauso weiter«

Von der Morddrohung lässt sich TV-Moderator Georg Restle nicht einschüchtern. Die AfD kritisiert er weiterhin

  • Marion Bergermann
  • Lesedauer: 5 Min.

Mit Ihrem Kommentar in den »Tagesthemen«, in dem sie fordern, die AfD als rechtsextremistisch einzustufen, haben Sie ausgesprochen, was einige Menschen ohnehin meinen. Warum erzürnt es Rechte und AfD-Anhänger*innen so sehr?

Ich glaube, dass viele Anhänger der AfD immer noch nicht wahrhaben wollen, wohin sich diese Partei in den letzten Jahren entwickelt hat. Für diese Menschen ist es eine unangenehme Wahrheit, dass die AfD sich längst mit Rechtsextremisten in einem Boot befindet, ideologisch wie personell. Das kann man am Beispiel der »Identitären Bewegung« - trotz Unvereinbarkeitsbeschluss - sehen. Andere wollen das Märchen von der bürgerlich-konservativen Partei weitererzählen, um für die Mitte der Gesellschaft weiterhin anschlussfähig zu bleiben. Natürlich erzürnt es solche Leute, wenn man ihre Kampagnen durchkreuzt.

Georg Restle
Georg Restle, 1965 geboren, ist Moderator der WDR-Politiksendung »Monitor«. Mitte Juli kommentierte er in den »Tagesthemen«, dass die AfD als rechtsextremistisch eingestuft werden sollte. Kurz darauf schickten ihm Unbekannte eine Morddrohung. Die Generalbundesanwaltschaft vermutet ein rechtsextremes Tatmotiv. Schon vorher setzte sich Restle in »Monitor«-Beiträgen, die er auch inhaltlich mitverantwortet, kritisch mit der AfD und rechtsextremen Entwicklungen auseinander. Für »nd« sprach mit ihm Marion Bergermann

Viele Kolleg*innen stehen nach der Morddrohung, die Sie anonym erhielten, hinter Ihnen. Isabel Schayani vom WDR nannte Sie im Kurznachrichtendienst Twitter »mutig«. Ist das wirklich mutig oder machen Sie eben konsequent Ihren Job?

Ich habe mich über die Unterstützung gefreut. Solidarität ist wichtig für alle, die im Fokus rechtsextremer Hetze oder Bedrohungen stehen. Ob das »mutig« ist, was ich mache, mögen andere entscheiden. Ich mache meinen Job genauso weiter wie seit vielen Jahren und lasse mich durch Bedrohungen nicht einschüchtern. Vielleicht habe ich aber auch ein dickeres Fell als andere.

Seit Jahren diskutieren Redaktionen, wie mit der AfD journalistisch umzugehen ist. Einige sagen, man muss über sie berichten wie über andere gewählte Parteien. Andere sagen, sie ist sehr rechts, dazu populistisch und man sollte aufpassen, ob und was man berichtet. Was halten Sie für richtig?

Natürlich müssen wir über die AfD berichten, wie über alle anderen Parteien auch. Das heißt, dass wir zeigen müssen, wofür die AfD tatsächlich steht. Wir müssen aufdecken, was es innerhalb der Partei oder in ihrem unmittelbaren Umfeld an rechtsextremistischen Bestrebungen gibt. Und wir müssen das als öffentlich-rechtliche Journalisten entsprechend unserer Programmgrundsätze tun - also unsere demokratischen Freiheiten verteidigen, wie es im WDR-Gesetz heißt. Für mich ist klar: Wenn diese Freiheiten von einer Partei angegriffen werden, dürfen wir dieser Partei dafür keine Bühne geben.

Welche Freiheiten meinen Sie?

Die Menschenwürde, die schließlich nicht nur für Deutsche gilt, die Meinungs- und Pressefreiheit, die Religionsfreiheit, das Antidiskriminierungsgebot. All diese Freiheiten werden von der AfD angegriffen. Letztendlich bekämpft der völkische Nationalismus, für den die Partei steht, aber unser Verfassungsverständnis insgesamt. Genau das meinte ich, als ich in meinem Kommentar davon sprach, dass man die AfD nicht länger außen vorlassen könne, wenn man die »Identitäre Bewegung« als rechtsextremistisch einstuft - unabhängig davon, was man vom Verfassungsschutz hält.

Sie sagten, es gebe nun indirekte Aufforderungen aus der Politik heraus, AfD-kritische Journalist*innen zu bedrohen. Gibt es eine neue Dimension von rechter Ideologie und Gewaltbereitschaft in Deutschland, oder ist sie salonfähiger geworden?

Beides. Wir sehen ja, dass die Gewaltbereitschaft in der rechtsextremen Szene zugenommen hat. Hier ist eine Radikalisierung einzelner Gruppen oder Personen zu beobachten, die sich im Darknet oder anderswo gegenseitig dazu aufpeitschen, zur Tat zu schreiten, wie wir es in Christchurch oder München gesehen haben. Diese Menschen fühlen sich getragen von einer völkischen Ideologie, die auch durch Parteien wie die AfD immer weiter in die Mitte der Gesellschaft getragen wird. Insoweit sind nationalistische, rassistische und antihumanistische Ideologien längst salonfähig geworden.

Immer wieder erhalten Journalist*innen, Politiker*innen und andere Morddrohungen aus dem rechtsextremen Spektrum. Dann ist die Empörung groß. Aber ist Rechtsextremismus in Deutschland nicht seit langem strukturell, also in Institutionen verankert?

Ich bin zurückhaltend mit dem Begriff des strukturellen Rechtsextremismus, auch wenn uns die jüngsten Enthüllungen über rechtsextreme Netzwerke bei der Polizei oder in der Bundeswehr natürlich nachdenklich machen müssen. Klar ist jedenfalls, dass solche Entwicklungen jahrzehntelang verharmlost worden sind. Hier besteht - auch journalistisch - jede Menge Nachholbedarf.

Was muss also konkret nachgeholt werden?

Politisch muss erkannt werden, dass solche Netzwerke die Sicherheit im Land erheblich gefährden. Auch ich stellte mir die Frage, ob ich in Folge der Morddrohung sensible persönliche Daten an die Polizei weitergeben soll, wenn ich damit rechnen muss, dass sie dort in falsche Hände geraten können. Hier muss aufgeklärt und viel entschlossener gehandelt werden.

Mit dem Thema Rechtsextremismus beschäftigen Sie sich offenbar viel. Seit wann interessieren Sie sich dafür?

Seit ich mich mit dem Thema Nationalsozialismus beschäftige. Besonders intensiv während meines Jura-Studiums, als mich die Rechtssprechung des Reichsgerichts sehr interessierte. Damals wollte ich herausfinden, wie eine so menschenverachtende Ideologie in die Sprache von Rechtstechnokraten übersetzt wird und damit letztendlich auch gesellschaftliche Akzeptanz erreichen konnte.

Und würden Sie sich als links bezeichnen?

Ich bezeichne mich selber als Humanist, weil mir die Verteidigung der Menschenrechte besonders am Herzen liegt. Erstaunlich, dass dies bei vielen mittlerweile als links gilt.

In Ihrer Sendung »Monitor« zeigen Sie Verborgenes auf. Wie Polizist*innen, die Kolleg*innen kritisieren, drangsaliert werden, oder wie der »rechte Flügel« in der AfD an Einfluss gewinnt. Was wünschen Sie sich von Zuschauer*innen, nachdem sie die Beiträge sahen?

Ich verstehe »Monitor« als ein Angebot an unsere Zuschauer und Zuschauerinnen, sich über bestimmte Themen noch einmal neu Gedanken zu machen und dabei zu neuen Einsichten zu kommen. Wenn das gelingt, haben wir schon viel erreicht.

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