Die NPD ebnete der AfD den Weg

Die These von abgehängten Rechtsaußenwählern lässt sich laut einer neuen Studie nicht belegen

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Ende reichte das Ergebnis nicht einmal mehr für die staatliche Wahlkampfkostenrückerstattung: Bei der Thüringenwahl Ende Oktober holte die NPD nur 0,5 Prozent der Zweitstimmen. Für die Neonazis ein herbe Niederlage. Zwar schaffte es die Partei noch nie in den Erfurter Landtag, doch mit dem Aufstieg der AfD begann der politische Abstieg der NPD in die politische Bedeutungslosigkeit.

Inzwischen sind die Neonazis weit von ihrem früheren Spitzenergebnissen entfernt. Ihren Höhepunkt hatte die Partei bei der Landtagswahl 2009, als sie 4,3 Prozent der Zweitstimmen holte. Dass die AfD als größter Konkurrent am rechten Rand Wähler binden würde, war für die NPD aufgrund von Erfahrungen bei früheren Wahlen in ganz Deutschland absehbar. Deshalb entschieden sich die Rechtsextremen für eine Kampagne, bei der sie potenziellen Wähler empfahlen, mit der Erststimme den Direktkandidaten der AfD zu wählen und bei ihrer Zweitstimme das Kreuz bei der NPD zu machen.

Dass diese Strategie aus Sicht der NPD Sinn ergibt, bestätigt indirekt eine neue Studie des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) in Jena im Auftrag der Amadeu Antonio Stiftung. Wichtigstes Ergebnis: Die AfD, die bei der Thüringenwahl landesweit 23,4 Prozent der Zweitstimmen holte, ist besonders an jenen Orten stark, wo früher die NPD ihr größten Erfolge feierte. »Wo 2014 die rechtsextreme NPD gut abschneiden konnte, steigen die AfD-Stimmenanteile 2019 deutlich an«, heißt es in der Studie. Der Effekt lasse sich überall im Freistaat mit Ausnahme des Landkreises Sonneberg nachweisen. Zweiter wichtiger Faktor: Die AfD legte besonders in jenen Wahlkreisen zu, in denen sich im Vergleich zur Landtagswahl 2014 deutlich mehr Menschen am Urnengang beteiligten. Der AfD gelang es im besonderen Maße, bisherige Nichtwähler zu überzeugen.

Überraschend sei das Abschneiden der extremen Rechten nicht. Es ist viel mehr Ergebnis einer umfassenderen Entwicklung. »Der Wahlerfolg der AfD lässt sich zu großen Teilen durch ein langfristiges politisches Klima von Demokratieverdrossenheit und Demokratiefeindlichkeit erklären«, heißt es in der Studie.

Woraus sich diese Skepsis speist, haben die Forscher anhand von 18 statistischen Faktoren untersucht, darunter die Arbeitslosenquote, die Pro-Kopf-Verschuldung, die Bevölkerungsdichte, aber etwa auch den Anteil der nichtdeutschen Bevölkerung in allen 664 Thüringer Gemeinden. Die Erkenntnisse widersprechen einigen in der Debatte über die Ursachen des AfD-Erfolgs oft diskutierten Annahmen und auch in Teilen der Linken verbreiteten Thesen.

Nicht haltbar sei etwa die Vorstellung vom Abgehängten, der aus Frust über die wirtschaftliche Situation sein Kreuz bei der Rechtsaußenpartei mache. Die AfD sei sowohl in wirtschaftlich starken als auch schwachen Regionen erfolgreich. »Die Annahme, der Wahlerfolg sei größtenteils von sogenannten ›Modernisierungsverlierer*innen‹ getragen, lässt sich für die Landtagswahl 2019 in Thüringen nicht bestätigen«, lautet ein Fazit der IDZ-Studie. Ebenfalls keinen Einfluss auf das AfD-Ergebnis habe die Höhe des Ausländeranteils in einer Gemeinde. Für die Annahme, »dass mit der starken Zuwanderung Geflüchteter seit 2015 Ängste und Gefühle von Kontrollverlust entstanden sind, die in der Konsequenz für viele zur Wahl der AfD geführt haben könnten«, fanden die Forscher keine Belege.

Einen nachweisbaren, wenn auch überschätzten Einfluss, haben demografische Faktoren: Dort, wo der Anteil an Frauen laut Prognosen in den nächsten Jahrzehnten abnehmen soll, schneidet die AfD stärker ab. Grundsätzlich leichter hat es die Partei in Gemeinden, in denen ein genereller Bevölkerungsrückgang erwartet wird.

Die Forscher gehen davon aus, dass die AfD dort punkten kann, wo es verstärkte Zukunftsängste gibt. Diese Befürchtungen haben allerdings wenig mit den aktuell realen Verhältnissen vor Ort zu tun. Kommentar Seite 8

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!