Stress und Hetze bei der Arbeit nehmen nicht ab

Digitalisierung, Fachkräftemangel psychische Gesundheit: Viele Angestellte müssen immer mehr Aufgaben übernehmen - ohne dafür mehr Zeit zu bekommen.

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Berlin. Hetze und Stress belasten einer Studie zufolge die Berufstätigen in Deutschland. Die Situation bessere sich seit Jahren nicht, sagte der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Reiner Hoffmann, am Donnerstag in Berlin bei der Vorstellung des diesjährigen DGB-Index »Gute Arbeit«. Drei Viertel der Betriebe führten die Belastungsanalysen zum Schutz der Gesundheit gar nicht erst durch, die das Arbeitsschutzgesetz vorsehe. Auch die Krankenkassen schlagen Alarm: Fast jeder sechste Fehltag von Arbeitnehmern geht auf eine psychische Erkrankung zurück. Das belegt der jüngste BKK-Gesundheitsreport.

Depressionen oder Burn-out liegen nach Angaben der BKK damit inzwischen gleichauf mit Grippe oder Husten. An erster Stelle der Gründe für eine Krankschreibung stehen weiterhin Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems (knapp 24 Prozent). Insgesamt ist der Krankenstand dem Bericht zufolge auf 5,1 Prozent weiter gestiegen - ein neuer Höchststand. Die Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen im Vergleich zum Vorjahr sind mit 5,4 Prozent am stärksten angestiegen.

Nicht jede psychische Erkrankung führt aber auch zur Arbeitsunfähigkeit. Bei Depressionen ist es im Gegenteil in der Mehrzahl der Fälle so, dass die Menschen weiterarbeiten. Dem Report zufolge führte eine vom Arzt diagnostizierte depressive Episode nur in zwölf Prozent aller Fälle und damit bei jedem achten Erkrankten zur Krankschreibung. Für den BKK Gesundheitsreport 2019 wurden die Daten von acht Millionen Versicherten analysiert, darunter vier Millionen Berufstätige.

DGB-Chef Hoffmann forderte die Bundesregierung auf, »ein klares Zeichen für mehr Psycho-Schutz am Arbeitsplatz« zu setzen und der Forderung der Gewerkschaften nach einer Anti-Stress-Verordnung nachzukommen. Den Arbeitnehmervertretungen empfahl er, Missstände bei den zuständigen Behörden zu melden.

Laut dem diesjährigen Index »Gute Arbeit« geben 53 Prozent der Berufstätigen an, sich häufig gehetzt zu fühlen. Jeder Vierte sagt, die Arbeit sei in der vorgegebenen Zeit oft nicht zu schaffen. Ein ebenso großer Anteil reduziert deshalb die Pausen oder lässt sie ganz ausfallen. Und 40 bis 50 Prozent glauben, unter den derzeitigen Anforderungen ihren Job nicht bis zur Rente durchhalten zu können.

Während der DGB-Index, für den 6.600 Beschäftigte befragt wurden, beim Thema Arbeitsdruck seit 2012 keine Besserung verzeichnet, ist dennoch die Zufriedenheit mit der Arbeitssituation insgesamt in dieser Zeit leicht gestiegen. Verantwortlich dafür ist dem Bericht zufolge die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, die dafür sorgt, dass die Beschäftigten die Sicherheit ihrer Jobs heute deutlich höher bewerten.

»Es braucht eine Kehrtwende in der Arbeitswelt. Psychische Belastungen und Stress müssen eingedämmt werden«, sagte Jutta Krellmann, Sprecherin für Mitbestimmung und Arbeit der Linksfraktion. Hierzu werde eine Anti-Stress-Verordnung benötigt, die klare und verbindliche Richtlinien für Berufstätige beinhalte. »Die psychische Gefährdungsbeurteilung als Allheilmittel reicht einfach nicht aus, das zeigen die Zahlen. Denn nur in jedem vierten Betrieb wird eine durchgeführt.«

»Den Beschäftigten geht immer mehr die Puste aus. Denn psychische Belastungen am Arbeitsplatz können nicht losgelöst von den Arbeitsbelastungen und Arbeitszeiten gesehen werden«, teilten die Grünen mit. Die Bundesregierung müsse deshalb Rahmenbedingungen schaffen, die eine gesunde Lebensweise und Zeiten des Miteinanders ermöglichen und Arbeitsprozesse entschleunigen: »Dazu gehören eine alters- und alternsgerechte Gestaltung der Arbeitsplätze.« epd/nd

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