Ein wegweisender Bericht

Die Zukunftskommission Landwirtschaft hat dringend nötige politische Schritte vorgeschlagen. Aber wer erinnert sich nach der Bundestagswahl noch daran, fragt Anke Herold.

  • Anke Herold
  • Lesedauer: 3 Min.

»Eine unveränderte Fortführung des heutigen Agrar- und Ernährungssystems scheidet aus ökologischen und tierethischen wie auch aus ökonomischen Gründen aus.« So lautet das klare Fazit der von der Bundesregierung eingesetzten Zukunftskommission Landwirtschaft, deren Abschlussbericht am Dienstag dieser Woche veröffentlicht wurde. Die aktuelle Landwirtschaftspolitik gehe auf Kosten von Mensch und Natur und verursache jedes Jahr Umweltschäden von mehr als 90 Milliarden Euro, stellt die Kommission fest. Das Agrar- und Ernährungssystem müsse deswegen so umgebaut werden, dass es im Interesse der landwirtschaftlichen Produzenten und Produzentinnen liegt und schädliche Umweltwirkungen vermeidet.

Der Zukunftskommission ist es gelungen, zwischen sehr kontroversen Lobbygruppen zu vermitteln und die verhärteten Fronten zu lösen. Sie hat einen wegweisenden Bericht mit klugen Empfehlungen verfasst, nicht nur zur Klima- und Umweltpolitik, sondern auch für viele soziale Handlungsfeldern. Leider kommt der Bericht zu spät: ganz am Ende der Legislaturperiode, wenn die Bundesregierung keine der Empfehlungen mehr umsetzen kann und muss. Und kurz nachdem Ende Juni gerade die finale Einigung zur EU-Agrarpolitik bis 2027 getroffen wurde.

Die Subventionierung der Landwirtschaft durch die öffentliche Hand soll nach Ansicht der Kommission zukünftig vollständig dazu dienen, die Bereitstellung öffentlicher Güter zu finanzieren. Leider wurde in der gemeinsamen EU-Agrarpolitik gerade beschlossen, dass die rein flächengebundene Förderung in der ersten Säule der EU-Agrarpolitik mit einem Anteil von 75 Prozent bis 2027 fortgesetzt wird. In den nächsten sechs Jahren ist daher erst einmal kein kontinuierlicher Umbau des aktuellen Finanzierungsmodells in Sicht.

Bis Ende 2021 müssen die EU-Mitgliedstaaten nationale Strategiepläne zur Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik bei der EU-Kommission einreichen. Der deutsche Strategieplan sollte nun überarbeitet und am Bericht der Zukunftskommission ausgerichtet werden sowie deren Forderungen aufgreifen.

Eines der wichtigen Themen ist dabei die Minderung der Stickstoffdüngung. Laut der Zukunftskommission wird in Deutschland 50 Prozent mehr gedüngt, als die Pflanzen aufnehmen können. Dieser Stickstoffüberschuss landet dann teilweise als Treibhausgas Lachgas in der Atmosphäre oder als Nitrat im Grundwasser. EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevicius hat gerade ein Zwangsgeld von 850 000 Euro pro Tag gegen Deutschland angeordnet, weil die Grenzwerte der Düngemittelverordnung von 1991 auch Jahrzehnte nach deren Erlass noch nicht eingehalten werden. Hier wurde leider ebenfalls lange versäumt, Anreize für eine effiziente Düngemittelverwendung zu setzen, wie sie die Kommission fordert.

Neben dem Klima-, Umwelt und Naturschutz greift der Bericht auch das Thema Bodenpreise auf. Die Preise pro Hektar landwirtschaftlicher Fläche haben sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt. Dieser enorme Preisanstieg macht gerade den Öko-Landwirten und Existenzgründern zu schaffen.

Nach Angaben des dem Thünen-Instituts waren Anfang 2017 bei jedem dritten Agrarbetrieb in den fünf ostdeutschen Bundesländern ortsfremde, überregional aktive Investoren die Mehrheitseigentümer. In knapp drei Viertel aller Fälle waren die Käufer überregional aktive Investoren, häufig aus anderen Branchen. Über sogenannte Share Deals, bei denen sie nicht die Grundstücke, sondern die Eigentümergesellschaft kaufen, müssen die Großinvestoren nicht einmal Grunderwerbssteuer zahlen. Die Zukunftskommission empfiehlt hier, die Schwelle zur Grunderwerbssteuerpflicht bei Anteilskäufen deutlich abzusenken und eine Spekulationsschwelle auf zehn Prozent über dem Marktpreis für landwirtschaftliche Flächen festzulegen.

Die Empfehlungen der Zukunftskommission kommen zu spät für diese Legislaturperiode und sollten daher dringend in den nächsten Koalitionsvertrag aufgenommen werden. Aber ob sich im Herbst noch jemand an diesen wegweisenden Bericht erinnert?

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