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Angespannte Märkte, hohe Inflation
Die OECD erwartet deutlich geringeres Wachstum in den USA
Der Krieg in Europa kostet weltweit Wachstum und erhöht die Inflation. Zu dieser Schlussfolgerung gelangt die Industriestaatenorganisation OECD in ihrem am Mittwoch in Paris veröffentlichten Wirtschaftsausblick. Die hohe Inflation schmälere die Einkommen und Ausgaben der privaten Haushalte. »Sozial Schwache trifft dies besonders hart«, so Generalsekretär Mathias Cormann. In den ärmsten Volkswirtschaften der Welt sei die Gefahr einer schweren Nahrungsmittelkrise akut.
Auch die Stimmung in der US-Wirtschaft hat sich zuletzt deutlich eingetrübt. Umfragen zum Geschäftsklima in der Industrie sind im Mai unter die Marke von null Punkten gefallen. Das ist der niedrigste Stand seit der Coronakrise im Frühjahr 2020. Das sogenannte Verbrauchervertrauen, ebenfalls eine monatlich vorgenommene repräsentative Umfrage, hat einen noch deutlicheren Schlag versetzt bekommen und liegt noch tiefer als zu Zeiten der Pandemie.
Ein Grund für schlechte Stimmung ist der Markt für Häuser und Grundstücke. Aktuell ist der US-Immobilienmarkt extrem angespannt, so eine Analyse der Commerzbank. Die Preise steigen daher drastisch und lagen im Februar um fast 20 Prozent höher als ein Jahr zuvor. In den letzten zehn Jahren legten die Immobilienpreise jeweils »nur« um durchschnittlich acht Prozent zu. Materialengpässe und knappes Bauland verhinderten eine stärkere Ausweitung des Angebots, was wiederum eine Entlastung bei den Preisen verhinderte. Mittlerweile steigen auch die Bauzinsen dramatisch: So sind die Zinsen auf Hypotheken seit Ende 2021 schon um mehr als zwei Prozentpunkte gestiegen und liegen nun bei 5,25 Prozent. Dies ist der höchste Wert seit der durch Immobilien ausgelösten Finanzkrise.
Ohnehin ist es der Immobilienmarkt, der oft den Takt für die Gesamtwirtschaft vorgibt. US-Präsident Joe Biden versucht nun, die Inflation zu zügeln. Er lud Zentralbankchef Jerome Powell zum Gespräch ins Weiße Haus, beteuerte aber gleichzeitig in einem Artikel für das »Wall Street Journal«, dass er anders als sein Vorgänger Donald Trump keinen Einfluss auf die Geldpolitik nehmen wolle. In der Inflation, zuletzt lag sie bei über acht Prozent, sieht Biden das größte Problem der US-Wirtschaft. Die Kerninflation, ohne die stark schwankenden Preise für Energie und Lebensmittel, ist mit 6,2 Prozent viel höher als in der Eurozone mit 3,8 Prozent.
Wie in vielen anderen Ländern steckt die US-Notenbank nun in einem Dilemma. Auf die rasant steigenden Preise müsste die Fed eigentlich mit einer deutlichen Erhöhung der Leitzinsen reagieren. Dies könnte jedoch die Konjunktur abwürgen. Und der Konjunkturmotor stottert ohnehin: Das reale Bruttoinlandsprodukt der USA ist im Vergleich zu 2021 hochgerechnet aufs Jahr im ersten Quartal 2022 um 1,4 Prozent gesunken.
Dazu maßgeblich beigetragen hat das zunehmende Defizit in der Handelsbilanz. Bidens extrem üppige Rettungspakete, mit denen er auf die Corona-Pandemie reagierte, haben die Importe zusätzlich stimuliert. Dadurch wurden die Knappheiten auf den Weltmärkten etwa bei Halbleitern und Schiffstonnagen verschärft und die Inflation, also steigende Preise, in andere Länder gewissermaßen exportiert. Während die Ausfuhren von US-Gütern stagnierten, legten die Importe 2021 und wohl auch in diesem Jahr zweistellig zu.
Die beispiellos expansive Fiskalpolitik Bidens hat dazu beigetragen, dass die US-Wirtschaft rasch aus der Krise herausgewachsen ist. Doch jetzt hat sich der Wind gedreht, zeigt der Wirtschaftsausblick der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), in der westliche Staaten den Ton angeben. Die Mittel der großen Stimulierungspakete sind längst ausgezahlt und zusätzliche Ausgabenprogramme bleiben im Kongress in Washington bis zu den Wahlen im November stecken.
Bislang stützt noch die Binnennachfrage die US-Wirtschaft. Im Land des »Hire-and-Fire« (deutsch: heuern und feuern) haben die Beschäftigung und die Löhne erheblich zugelegt. Die OECD erwartet daher nach einem Wachstum von 5,7 Prozent 2021 für dieses Jahr noch ein reales Wachstum von 2,5 (Eurozone 2,6 Prozent) und für 2023 von 1,2 Prozent (1,6). Der Trend zeigt also nach unten und viele US-Ökonomen befürchten sogar eine längere Rezession.
Für die – neben OECD-Mitglied China – Lokomotive der Weltwirtschaft sind dies besorgniserregende Zahlen. Schließlich zieht das Land Jahr für Jahr Millionen Migranten aus Lateinamerika an. Eine Chance auf Jobs haben diese nur, wenn die Wirtschaft kräftig wächst. Dieser Zusammenhang bestimmt die Auseinandersetzungen auf dem neunten Amerika-Gipfel, der noch bis Freitag in Los Angeles stattfindet. Mehrere Staatschefs sagten ab, andere wurden gar nicht erst eingeladen.
Die Welt zahlt »den Preis für Russlands Krieg«, sagte OECD-Chefökonomin Laurence Boone auf der Pressekonferenz in Paris. Russland gehört nicht der OECD an. Selbst die Prognose für China wirkt ernüchternd: 4,4 Prozent Wachstum traut die OECD der Volksrepublik in diesem Jahr noch zu, kaum mehr im kommenden. So wenig, wie vor der radikalen Liberalisierung der Wirtschaft in den 1990er Jahren. Die Prognose für die Weltwirtschaft senkte die OECD von 4,5 Prozent, die noch im Dezember erwartet wurden, auf drei Prozent. 2023 soll es noch weniger Wachstum werden. Der Ausblick ist mit großer Unsicherheit und vor allem erheblichen Abwärtsrisiken behaftet.
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