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Schotten suchen eigenen Weg
Nationalisten wollen sich von Großbritannien trennen
Beim Referendum 2014 stimmten noch 55,3 Prozent der Schotten gegen eine Abspaltung von Großbritannien. In ihrer Abschlussrede auf dem am Montag in Aberdeen zu Ende gegangenen Parteitag der Schottischen Nationalpartei (SNP) versprach sie Maßnahmen gegen die Teuerungen und stellte ein unabhängiges Schottland als Gegenpol zum neoliberalen England der Tories von Liz Truss dar.
Seit dem Brexit 2016 schlägt das Pendel in Richtung Unabhängigkeit. In Umfragen liegen deren Befürworter knapp vor den Unionisten. Viele liberale, urbane Wähler erhoffen sich dadurch eine Rückkehr in die EU. Sturgeon versucht nun zusätzlich, Schottland als soziale, progressive Alternative zum konservativen England der Tories darzustellen: Lange vor der Regierung in London verkündete sie konkrete Maßnahmen gegen die Teuerungswelle, vor allem für ärmere Schichten.
Investmentsfonds für die Unabhängigkeit
Am 6. September hatte Sturgeon angekündigt, die Mieten einfrieren zu lassen und Zwangsräumungen bis März auszusetzen, um den steigenden Lebenshaltungskosten entgegenzuwirken. Beim Parteitag versprach sie zusätzliche Investitionen: »Wir werden die verbleibenden Öleinnahmen investieren und so unsere Kreditwürdigkeit stärken, nicht um die Steuern für die Reichsten zu senken, sondern um einen unabhängigen Investmentfonds einzurichten.« Dieser Fonds solle im ersten Jahrzehnt der Unabhängigkeit bis zu 20 Milliarden Pfund (fast 23 Milliarden Euro) bereitstellen.
Auch konkrete Sozialmaßnahmen wurden beim Parteitag beschlossen. So sollen leerstehende Häuser in Sozialwohnungen für Obdachlose umgewandelt werden, eine bezahlte Freistellung während der Menstruation wird eingeführt. Während die SNP mit progressiver Sozialpolitik für die Unabhängigkeit als Gegenstück zur neoliberalen Politik der Tories wirbt, unterscheidet sich die Außenpolitik der SNP wenig von jener in London. So müsse der russische Präsident Putin »für Kriegsverbrechen verantwortlich gemacht werden«, forderte sie.
Am heutigen Mittwoch findet die zweite Anhörung des Obersten Gerichtshofs des Vereinigten Königreichs zur Frage statt, ob Schottland ohne Zustimmung Londons ein Referendum durchführen kann. Eine Entscheidung wird erst in einigen Wochen erwartet.
Streit ums Nordirland-Protokoll
Die schottische Regierung veröffentlichte ihre Rechtssicht im August. Darin argumentierte sie, dass das Referendum »beratend« sei und keine rechtliche Wirkung auf die Union habe. Sie behauptet, dass der Brexit und die Pandemie die »Politik und Wirtschaft auf den Kopf gestellt« hätten und daher die Unabhängigkeit erneut geprüft werden müsse. Das schottische Parlament habe ein »unbestreitbares demokratisches Mandat« für ein neues Unabhängigkeitsvotum, so Sturgeon. Unabhängig vom Entscheid des Obersten Gerichtshofs beabsichtigt sie, am 19. Oktober 2023 ein Referendum über den Verbleib in Großbritannien abzuhalten.
Nach den Streitigkeiten beim Parteitag der Konservativen letzte Woche in Birmingham sorgt so auch Schottland für Kopfweh bei Liz Truss. Dabei versucht sie gerade, mit Brüssel eine Lösung des Nordirland-Protokolls zu verhandeln, um sich innenpolitisch ganz dem Kampf gegen die Teuerungen widmen zu können. Doch auch aus Nordirland schlägt ihr Gegenwind entgegen. Auf dem Parteitag der unionistischen DUP kündigte Parteichef Jeffrey Donaldson an, weiterhin das Protokoll und alle Änderungen nicht umzusetzen und die Regierungsarbeit zu boykottieren. Gibt es bis 28. Oktober keine neue Regierung in Belfast, werden in Nordirland Neuwahlen ausgerufen.
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