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»AfD-Richter« soll nicht mehr urteilen
Bundesgericht in Karlsruhe verhandelt Fall Jens Maier – Sachsen reicht Disziplinarklage ein
Das Dienstgericht des Bundes gehört zu den eher unbekannten der fast 30 Senate am Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Bei dem Gremium, das über Disziplinarverfahren gegen Richter entscheidet, waren 2022 ganze vier von insgesamt fast 5000 Verfahren anhängig, und Urteile sorgen selten für Schlagzeilen. Im Mai erfuhr die Öffentlichkeit, dass die fünf Karlsruher Richter die Entlassung einer Richterin am Bundesfinanzhof bestätigten. Sie hatte über Jahre hinweg jegliche Arbeit verweigert. »Renitente Bundesrichterin«, überschrieb die »FAZ« eine kurze Meldung.
Der Fall, mit dem sich das Dienstgericht am 5. Oktober befasst, wird mehr Aufsehen erregen. Es geht um einen Richter, der arbeiten will, aber nicht darf: Jens Maier, der seit 1997 am Landgericht Dresden tätig gewesen war, 2017 für die AfD in den Bundestag einzog, aber 2021 sein Mandat verlor und daraufhin wieder in die Justiz zurückkehren wollte. Das gelang zunächst auch: Zehn Tage verrichtete er am Amtsgericht Dippoldiswalde seinen Dienst. Dann hatte ein Antrag des Justizministeriums Erfolg, Maier in den Ruhestand zu versetzen und ihm die Führung der Dienstgeschäfte zu untersagen.
Anlass für diesen drastischen Schritt ist die politische Betätigung Maiers, der zu den prominenten Vertretern des völkisch-nationalen Flügels in der AfD gehörte und vom Landesamt für Verfassungsschutz als Rechtsextremist eingestuft wurde. Der »kleine Höcke«, wie er genannt wird, agitierte etwa gegen einen angeblichen deutschen »Schuldkult« und die Bildung von »Mischvölkern«; er äußerte Verständnis für den Rechtsterroristen Anders Breivik, der nur »aus Verzweiflung« gehandelt habe, und zollte der NPD Respekt: Sie sei die »einzige Partei, die immer zu Deutschland gestanden« habe. Bei der Aufstellung der Landesliste erklärte er: »Wer in diesen Zeiten nicht als Rechtsextremist diffamiert wird, der macht irgendetwas verkehrt.«
Die Vorstellung, dass ein solcher Mann im Namen des Volkes Urteile sprechen sollte, sorgte für Unbehagen. Justizministerin Katja Meier (Grüne) erklärte, man werde »alle rechtlich zulässigen Möglichkeiten ausschöpfen, um die sächsische Justiz vor Verfassungsfeinden in den eigenen Reihen zu schützen«. Ein Weg dabei: die in Paragraf 31 des Richtergesetzes eingeräumte Möglichkeit, einen Richter in den Ruhestand zu versetzen, um eine »schwere Beeinträchtigung der Rechtspflege« zu verhindern.
Meier betont, dass ein Erfolg alles andere als gewiss sei. Präzedenzfälle gebe es nicht: »Wir schreiben Rechtsgeschichte«, sagt sie. Bisher läuft das Verfahren indes wie gewünscht. Sachsens Richter-Dienstgericht in Leipzig bestätigte im März 2022 die Entscheidung. Maier erscheine wegen seiner Äußerungen als »nicht mehr glaubwürdig«, und das »Vertrauen in seine Unvoreingenommenheit« bestehe nicht mehr, hieß es im Urteil. Zitiert wird eine Äußerung Maiers: »Wenn Angeklagte AfD-Richter fürchten, haben wir alles richtig gemacht.« Das wecke Sorgen, er werde in seiner Rechtsprechung »Interessen der AfD« wahrnehmen, statt objektiv und rechtstreu zu entscheiden.
Gegen den Leipziger Richterspruch legte Maier nun in Karlsruhe Revision ein. Dort sind derlei Fälle alles andere als Alltag: Mit Fragen von Paragraf 31 sei man »selten befasst«, hieß es auf »nd«-Anfrage. Zwei ähnliche Fälle erreichten das Bundesgericht nicht. Im Juli 2021 wurde Maiers AfD-Bundestagskollege Thomas Seitz in Baden-Württemberg aus dem Dienst als Staatsanwalt entfernt, der Flüchtlinge etwa als »Migrassoren« bezeichnet hatte. Die Entscheidung wurde im Land in zwei Instanzen bestätigt, eine Revision zum Bundesgericht aber nicht zugelassen. Im Fall der Berliner Amtsrichterin Birgit Malsack-Winkemann wiederum scheiterte ein Versuch, sie aus dem Amt entfernen zu lassen. Das war freilich, bevor bekannt wurde, dass die Ex-AfD-Bundestagsabgeordnete mutmaßliches Mitglied einer Terrorgruppe von Reichsbürgern war. Sie sitzt derzeit in Untersuchungshaft. In Karlsruhe verhandelt wurde im Herbst 2020 dagegen der Fall eines sächsischen Amtsrichters, der eine Urteilsbegründung genutzt hatte, um persönliche Kritik an der Flüchtlingspolitik zu äußern. Damals ging es aber nur um eine Rüge des Vorgesetzten, nicht um die Entfernung aus dem Dienst. Sie wurde von den Bundesrichtern für gerechtfertigt gehalten.
Ob auch das Arbeitsverbot für Maier Bestand hat, bleibt abzuwarten. Beobachter merken an, dass der Fall in Karlsruhe unerwartet schnell auf den Tisch kommt und zudem öffentlich verhandelt wird. Selbst ein Urteil am 5. Oktober gilt nicht als ausgeschlossen. In Sachsen wird derweil parallel dazu auch auf anderem Weg versucht, Maier loszuwerden. Am Landgericht Dresden gab es ein Disziplinarverfahren; am Ende stand die Empfehlung, ihn aus dem Dienst zu entfernen. Das Dresdner Justizministerium reichte daraufhin Ende Juli eine Disziplinarklage beim Dienstgericht des Landes ein. Sollte in Karlsruhe zwischenzeitlich entschieden worden sein, dass Maier nicht mehr als Richter arbeiten darf, würde sich die Stoßrichtung dieses Verfahrens automatisch ändern. Dann drohen dem Ex-Richter und Ex-Abgeordneten neben dem Jobverlust auch empfindliche Einbußen bei seiner Pension.
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