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Barrierefreier ÖPNV: Aufgeschmissen ohne Aufzug
Im Berliner Nahverkehr fehlt enthindernde Infrastruktur. Das schränkt die Mobilität der Bevölkerung ein
Was es nicht alles gibt: Ein Aufzug, der sich aus Rücksicht auf die gesundheitlichen Bedürfnisse selbst abschaltet. Ihrer Gesundheit zuliebe müssen geheingeschränkte oder des Laufens unwillige Passagiere an heißen Tagen von einer Fahrt ab S-Bahnhof Storkower Straße Abstand nehmen.
Auf das temperatursensible Eigenleben des Fahrstuhls, der die Überführung mit dem Bahnsteig verbindet, hatte die SPD-Bezirkspolitikerin Anne Meyer aufmerksam gemacht. In einer noch nicht beantworteten kleinen Anfrage an das Bezirksamt Lichtenberg heißt es, dass der S-Bahnhof Storkower Straße als barrierefreier Bahnhof gelte, die Bürger*innen jedoch oft einen nicht funktionsfähigen Aufzug vorfänden.
Die nur scheinbare Barrierefreiheit thematisiert auch ein Antrag von Kristian Ronneburg, Verkehrspolitiker der Linken im Abgeordnetenhauses. Ihm geht es speziell um Bahnhöfe im Bezirk Marzahn-Hellersdorf, in dem auch sein Wahlkreis liegt. Außer an der Station »Kienberg - Gärten der Welt« sei an keinem der Bahnhöfe der U-Bahnlinie 5 ein Aufzug eingerichtet. Der Antrag für die Sitzung des Abgeordnetenhauses am Donnerstag soll die Ausrüstung mit Aufzügen entlang der U5 vorantreiben. Denn eigentlich stehen erst einmal andere Bahnhöfe auf der Liste, die bisher über keinerlei barrierearme Ausstattung verfügen.
Aufzug oder Rampe? Alexander Ahrens ist für beides, wie am S-Bahnhof Buch. Dort sei die Rampe nicht der Nachrüstung eines Aufzugs zum Opfer gefallen. Ahrens ist Sprecher und Geschäftsführer der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben. Sie setzt sich für die Interessen von Menschen mit Behinderung ein.
Ein grundlegendes Interesse: zur Bahn kommen. Es gebe jedoch viel zu viele Bahnhöfe, vor allem in Ostberlin, die nur über eine Rampe verfügten, sagt Ahrens zu »nd«. »Viele der Rampen überschreiten die laut Behindertengleichstellungsgesetz erlaubte Steigung von sechs Prozent. Hochzukommen ist oft zu anstrengend und runterzukommen zu gefährlich.«
35 Berliner S-und U-Bahnhöfe »verfügen nicht über ausreichend Aufzüge und/oder Rampen zu den Bahnsteigen«. Das geht aus der Antwort der Senatsverwaltung für Mobilität und Verkehr auf eine Anfrage der Grünen hervor. Bisweilen gibt es, wie im Fall des S-Bahnhofs Yorckstraße, keine Information, wann mit einer Ausrüstung zu rechnen ist.
Von den vorhandenen Aufzügen sind außerdem zurzeit 30 defekt. Dadurch kann Ahrens von insgesamt 341 Bahnhöfen knapp 20 Prozent nicht erreichen. Die Bereitstellung von Aufzügen an den Bahnhöfen ist demnach nur ein Baustein hin zu einem barrierefreien Verkehrsnetz, dazu kommt ihre Zuverlässigkeit.
Das sei ein Grund, warum sie in der Regel mit dem Auto unterwegs sei, sagt Sigrid Arnade zu »nd«. Sie engagiert sich in der Liga Selbstvertretung. Sie habe die Möglichkeit, mit dem Auto zu fahren. Das sei zwar auch mitunter mit Unwägbarkeiten mit Blick auf das Parkplatzangebot verbunden, aber: »Ich fahre ja nicht zum Spaß mit dem Auto, sondern wenn ich zum Beispiel zur Arbeit muss. Morgen habe ich einen Termin bei Karl Lauterbach, da nehme ich lieber das Auto. Schließlich will ich nicht in irgendeiner Unterführung festhängen«, sagt Arnade.
Es sei schon möglich und für viele auch alternativlos, sich mit dem ÖPNV durch die Stadt zu bewegen, doch selbst auf die von den Verkehrsunternehmen angebotenen Informationsportale zu defekten Aufzügen könne sie sich nicht verlassen. »Deshalb ist es ein Glücksspiel und artet regelmäßig in Stress aus.«
Der eigenartige Fahrstuhl an der S-Bahn Storkower Straße wird häufig zum Ziel von Vandalismus und Verunreinigungen. Wenn er funktioniert, ist seine Benutzung eine Zumutung. An anderen Bahnhöfen, wie am Hermannplatz, gebe es zwar Fahrstühle, sagt Interessenvertreter Ahrens, doch es seien zu wenige. 15 Minuten müsse man schon einplanen, wenn man den Bahnhof verlassen wolle. Bereits das Aus- und Einsteigen per Rampe, die erst durch die Fahrer*in aufgebaut werde, sei mühselig.
Im öffentlichen Nahverkehr treffe er immer wieder auf Probleme, erzählt Ahrens weiter: Busse seien häufig wegen Überfüllung unbenutzbar und die Durchsetzung des Anspruchs auf Beförderung den Betroffenen überlassen. Taxen für Rollstuhlfahrer*innen seien genauso Mangelware wie barrierefreie Toiletten. Laut Senatsverwaltung für Soziales sind zehn Prozent der Berliner*innen zwingend auf Barrierefreiheit angewiesen. Bis zu 40 Prozent benötigen sie im Alltag als Unterstützung.
Es könne anders gehen, sagt Ahrens: »Ich war im Urlaub in Wien, da gab es häufig drei parallel laufende Aufzüge, die funktionierten und sauber waren.«
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