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Die Angst vor dem »Anderen«
Der Philosoph Peter Takáč über die Wahlen und den Zustand der Slowakei
Inwieweit spielten im Wahlkampf für die slowakischen Parlamentswahlen am vergangenen Wochenende soziale Themen eine Rolle?
Soziale Themen spielten bei diesem Urnengang keine große Rolle – zumindest nicht explizit. Einerseits wurden sie von Ersatzthemen wie der Angst vor der LGBTQI*-Community, der Furcht vor Geflüchteten und einem starken Wunsch nach Rache überschattet – nicht nur von Politikern der linksnationalistischen Smer-SSD, deren Kandidaten von der jüngsten Regierung juristisch verfolgt wurden, sondern auch von den Menschen, die sich durch den äußerst dilettantischen Umgang der Regierung mit der Covid-Pandemie benachteiligt fühlten. Die Liberalen legten ebenso keinen Wert auf soziale Fragen und konzentrierten sich stattdessen darauf, die Rückkehr von Smer zu verhindern. Smer regierte bisher dreimal und hat Parallelstrukturen im Staat aufgebaut, in denen Oligarchen mit Teilen der Polizei, Staatsanwälten und Richtern verflochten waren, wie die Ermittlungen im Fall des ermordeten Journalisten Ján Kuciak im Jahr 2018 inzwischen zeigten. Die Angst vor dem »Anderen« und Angst vor dem »Comeback von Smer« marginalisierte die andere sozialdemokratische – aber anständigere – Partei Hlas-SD. Diese sprach vor allem über die Menschen in der Provinz und die Unterstützung der Unterschicht bei den Energie- und Lebensmittelpreisen durch mehr staatliche Kontrolle in strategischen Unternehmen.
Inwieweit trugen die sozialen Fragen zu dem Wahlergebnis bei?
Einige Leute glauben immer noch, dass es keine Partei gibt, die mehr nach links tendiert als Smer. Auch wenn sie nicht viel für diese Menschen getan hat, vor allem als sie nach den Wahlen 2012 mit 44 Prozent der Stimmen allein regierte. Ihre sozialen Thesen waren ähnlich wie die von Hlas, beispielsweise wenn es um die 13. Monatsrente ging. Aber das Programm der Smer war auch explizit pro-russisch.
Während des Wahlkampfes forderte Robert Fico die Rehabilitierung von Gustav Husak. Wie würde das einem EU- und Nato-Mitglied Slowakei im 21. Jahrhundert zu Gesicht stehen?
Fico beruft sich auf verschiedene Persönlichkeiten mit unterschiedlichem, sogar widersprüchlichem – christlichem, nationalistischem, kommunistischem – Hintergrund, um seine Sympathisant*innen anzusprechen. Er nutzt sie, um nostalgische Gefühle zu wecken – für die alten Zeiten, in denen alles klar, ruhig und ohne Störungen zu sein schien. In diesem Sinne liegt es auf der Hand, warum er Husak – einen slowakischen Präsidenten aus der Zeit der tschechoslowakischen Normalisierung (1969–1989, Anmerkung d. Red.) – wählte. Seine Botschaft lautete: »Wählt mich, und ich lasse euch und mich von niemandem mehr stören.« Sei es von den Mainstream-Medien, ausländischen Einflüssen, dem Krieg in der Ukraine oder allen Zweifeln, dass Fico für ihr Wohl arbeitet. Diese Haltung spiegelte sich auch in seinem Wahlslogan »Stabilität, Ordnung und Sicherheit« wider.
Noch vor einem Jahrzehnt waren die Schnellstraße nach Košice, ein einheitlicher staatlicher Gesundheitsversorger und die staatliche Kontrolle der Lebensmittelpreise die meistdiskutierten sozialen Themen in der Slowakei. Sind diese Themen noch aktuell?
Insgesamt geht es aktuell um die Stagnation und das Zurückfallen der Slowakei gegenüber anderen EU- und sogar den drei anderen Visegrad-Ländern, also Tschechien, Polen und Ungarn. Nach zwei Smer-Regierungen und dem Intermezzo der konservativ-populistischen Olano sind die Probleme der Vergangenheit noch immer nicht gelöst. Das Land hat ein schwerwiegendes strategisches Investitionsdefizit und ist nicht in der Lage, die EU-Mittel wirksam und ordnungsgemäß zu verwenden, was man am schlechten Zustand von Eisenbahnen, Straßen, Gebäuden und dem öffentlichen Raum allgemein sieht.
Im Jahr 2011 verabschiedete das slowakische Parlament ein Gesetz über die sogenannte Schuldenbremse. Inwiefern ist unter diesen Umständen eine Sozialpolitik jenseits des Neoliberalismus für ein peripheres EU-Land wie die Slowakei überhaupt möglich?
Smer war ein guter Schüler des Neoliberalismus und hielt die Verschuldung unter 50 Prozent. Nach dem Amtsantritt von Olano-Premier Igor Matovič, der anfangs noch vor dem »griechischen Szenario« warnte, liegt sie nun bei 56 Prozent. Die neue Regierung wird sich mit einer drohenden Zahlungsunfähigkeit konfrontiert sehen und entweder die öffentlichen Ausgaben kürzen oder neue Ressourcen finden müssen.
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