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Haushalt steht noch immer nicht
Kanzler geht trotzdem von baldiger Einigung der Ampel-Koalition aus
Noch immer gibt es innerhalb der Ampel-Koalition keine Einigung zum Bundeshaushalt 2024, in dem seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November eine Finanzierungslücke von 17 Milliarden Euro besteht. Bundeskanzler Olaf Scholz gab sich am Montag jedoch optimistisch, dass die Verhandlungen über deren Schließung bald abgeschlossen sein werden. Man sei »so weit vorangekommen, dass man sehr zuversichtlich sein kann, dass wir es auch schaffen werden, das Ergebnis Ihnen bald mitzuteilen«, sagte der SPD-Politiker in Berlin.
Am späten Montagabend hatten Scholz, Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) eine weitere Gesprächsrunde zum Thema ergebnislos beendet und wollten sie am Montag fortsetzen. FDP-Fraktionschef Christian Dürr betonte zugleich, es sei kein Problem, wenn der Etat erst im neuen Jahr beschlossen werde. Alle gesetzlichen Leistungen würden ausgezahlt. Zugleich bekräftigte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai die roten Linien seiner Partei. Er lehnte ein Aufweichen der Schuldenbremse erneut ebenso strikt ab wie Steuererhöhungen. Mit Blick auf das im Grundgesetz verankerte weitgehende Neuverschuldungsverbot sagte Djir-Sarai, derzeit gebe es keine Voraussetzungen, um erneut eine außerordentliche Notlage zu erklären, die dessen Aussetzen ermöglichen würde.
Die SPD hatte am Wochenende auf ihrem Bundesparteitag einen Antrag beschlossen, in dem die Aussetzung der Schuldenbremse im kommenden Jahr mit der Begründung gefordert wird, dass weiterhin Milliardenausgaben zur Unterstützung der Ukraine gegenüber dem russischen Angriff erforderlich seien. Dabei könnte die FDP am Ende mutmaßlich doch mitgehen.
Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), schloss für den Fall, dass die Schuldenbremse 2024 erneut ausgesetzt wird, eine weitere Klage vor dem Bundesverfassungsgericht nicht aus. Man könne die Krise nicht zum Normalfall erklären und damit die Schuldenbremse systematisch umgehen, sagte Frei am Montag in Berlin.
Das Bundesverfassungsgericht hatte Mitte November nach einer Klage der Unionsfraktion die Umwidmung von 60 Milliarden Euro aus einem Fonds zur Bewältigung der Folgen der Coronakrise im Etat 2021 in den Klima- und Transformationsfonds für nichtig erklärt. Außerdem entschieden die Richter, dass der Bund solche Kreditermächtigungen nicht für später »zurücklegen« darf. Daraus entstand die derzeitige Ausgangslage für den Haushalt 2023, für den die Schuldenbremse im Nachhinein nochmals ausgesetzt werden soll – und wahrscheinlich auch für 2024.
Die Linke-Ko-Vorsitzende Janine Wissler übte scharfe Kritik an der immer noch fehlenden Haushaltseinigung. Dadurch bestehe bei vielen Initiativen Unsicherheit über die Finanzierung ihrer Arbeit im kommenden Jahr. Viele müssten »Personal kündigen, weil die Regierung sie im Ungewissen lässt und keine Übergangsregelungen schafft«, sagte Wissler am Montag in Berlin.
Beschämend sei, dass die von der Ampel beschlossene Kindergrundsicherung nun laut Regierung noch später als Anfang 2025 kommen solle. Zugleich sitze das »halbe Kabinett« in der vom ZDF übertragenen Spendenshow »Ein Herz für Kinder« und feiere sich für diese Aktivität. Angesichts dessen und der Debatten auch in der Ampel um eine Nullrunde beim Bürgergeld ab 2025 müsse endlich darüber geredet werden, »was uns die Reichen kosten«, forderte die Politikerin.
Die Vermögen der Milliardäre in Deutschland seien allein im vergangenen Jahr um 20 Prozent gestiegen. »Wir sagen: Wir können uns keine Milliardäre leisten«, betonte Wissler und fügte hinzu: »Nicht das Besteuern von Milliardenvermögen ist Enteignung, sondern Milliardenvermögen sind Enteignung.« Deren Inhaber profitierten von hohen Mieten und sinkenden Reallöhnen, machten in Krisenzeiten »auf Kosten der Allgemeinheit Gewinne, ohne einen Finger krümmen zu müssen«. Ihre Vermögen seien zu großen Teilen geerbt und vermehrten sich durch Spekulation und die Arbeit anderer. Zugleich hätten 40 Prozent der Menschen in der Bundesrepublik gar kein Vermögen.
Von den 40 Erben in Deutschland, die im vergangenen Jahr über 100 Millionen Euro geerbt hätten, »haben 31 nicht einen Cent Erbschaftssteuer gezahlt«, sagte die Linke-Chefin. Auffällig sei, dass 44 Prozent der Bürgergeldbezieher überprüft würden, wobei aber nur bei 2 Prozent der Kontrollen Sozialbetrug ermittelt werde – im Gegenwert von 680 Euro pro Fall. Dagegen würden durch die Finanzämter nur 6 Prozent der Millionäre überprüft, obwohl die ermittelte Betrugsquote hier bei 75 Prozent liege.
Die Linke fordere deshalb die Schaffung einer Taskforce Steuerbetrug. Außerdem plädiere man für die Einführung einer Milliardärssteuer in Höhe von 12 Prozent. Allein dies würde dem Staat Mehreinnahmen von 140 Milliarden Euro jährlich bescheren. Weiter spricht sich die Partei für einmalige Vermögensabgaben ab einem Vermögen von 2 Millionen Euro aus. Eine Abschaffung der Steuervergünstigungen für große Nachlässe würde laut Wissler Einnahmen von bis zu 10 Milliarden Euro jährlich bringen.
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