Böllerverbote in Berlin: Eingebettet in rassistische Diskurse

Die in Neukölln eingerichtete Pyrotechnikverbotszone sorgt für Kritik

  • David Rojas Kienzle
  • Lesedauer: 3 Min.

Aus sicherheitspolitischer Sicht wird die Silvesternacht in Berlin als Erfolg verbucht. Die Polizei rühmt sich, auch durch »Pyrotechnikverbotszonen« unter anderem in Neukölln größere Störungen verhindert zu haben. Mit Absperrgittern umzäunt, gleichen diese Bereiche den sogenannten kriminalitätsbelasteten Orten: Während der Silvesternacht kann die Polizei dort verdachtsunabhängige Personenkontrollen durchführen, die Bewegungsfreiheit einschränken und ist von der Pflicht entbunden, den Einsatz von Gewalt zuvor anzukündigen.

Die gemeinhin »Böllerverbotszonen« genannten Bereiche waren 2019 das erste Mal eingerichtet worden, damals noch im Steinmetzkiez in Schöneberg, am Alexanderplatz und rund um die Justizvollzugsanstalt in Moabit; Silvester 2023 richtete der Senat dann statt in Moabit in der Neuköllner Sonnenallee und deren Nebenstraßen vom Hermannplatz bis zur Tellstraße eine neue Zone ein.

Diese massive Einschränkung von Grundrechten war lange angekündigt und vorbereitet worden und hatte neben dem Verbot von Feuerwerk weitere Konsequenzen: Eine geplante propalästinensische Demonstration, die durch die Böllerverbotszone geführt hätte, wurde untersagt. »Das Bündnis hatte sogar eine Alternativroute angeboten, die aber von der Polizei abgelehnt wurde«, erklärte Aicha Jamal von der linksradikalen Basisorganisation Migrantifa Berlin gegenüber »nd«.

Für die Migrantifa reihen sich die polizeilichen Maßnahmen rund um Silvester in einen rassistischen Diskurs ein: »Die Böllerverbotszone in der Sonnenallee ist eine Fortsetzung der sogenannten Clan-Debatte und des alltäglichen Racial Profiling in Neukölln. Außerdem ist das Schikane, die wenig effektiv ist. Rund um die Verbotszone wurde ja geböllert.«

Den rassistischen Charakter sieht Aicha Jamal auch im Verbot der Demonstration. »Solidarität mit Palästina soll leise gemacht werden. Mit der Diffamierung linker Gruppen und Demonstrationen soll die Bevölkerung von diesen ferngehalten werden, damit keine echte Bewegung entsteht. Das Verbot ist eine Fortsetzung der seit spätestens 2019 immer stärker gewordenen politischen Repression.« Im Vorfeld von Silvester waren seitens der Berliner Polizei Ängste geschürt worden: So war von Hinweisen die Rede, dass die »propalästinensische Szene« sich mit »illegaler Pyrotechnik versorgt haben könnte«.

Während Böllerverbotszonen mit all ihren Folgen zum sicherheitspolitischen Werkzeugkasten in Berlin gehören, werden Stimmen für ein generelles Verbot laut. Die Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Abgeordnetenhaus erklärten: »Der privaten Böllerei gehört endlich ein Riegel vorgeschoben. Gerade auch Frauen und Kinder haben ein Recht auf ein sicheres Silvester, an dem sie sich frei und ohne Angst auch auf der Straße bewegen können.«

Die Berliner Grünen befinden sich damit in prominenter Gesellschaft. Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) macht sich für ein Verbot stark: Dort, wo Städte das Böllern verboten hätten, sei das »Tatmittel Pyrotechnik« gegen Einsatzkräfte erst gar nicht zum Einsatz gekommen, so der Vorsitzende Jochen Kopelke. Dass diese Forderung in die Praxis umgesetzt wird, ist unwahrscheinlich. Bis dahin wird Böllern weiterhin nur für manche verboten sein.

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