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Karge Worte, karge Gegenden
Berlinale-Panorama: Thomas Arslan hat mit »Verbrannte Erde« einen schnörkellosen Krimi gedreht – leider ohne neue Ideen
Nach all den bedeutungsschweren, verkopften, politisch oder sonstwie bedeutsamen Filmen, die auf der Berlinale laufen, ist der Kritiker regelrecht überrascht, zur Abwechslung in der Sektion Panorama mal einem klassischen Genre-Film beiwohnen zu dürfen. Als solchen darf man »Verbrannte Erde« von Thomas Arslan zu Recht bezeichnen. Der Film um einen Raubüberfall, dessen Planung, Durchführung und schmähliches Ende bietet so ziemlich alle Versatzstücke auf, die einen klassischen Krimi und Film Noir ausmachen und ist dabei sogar ziemlich spannend. Zu Beginn lernen wir Trojan (Mišel Matičević) kennen, einen Berufskriminellen, der nach längerer Abwesenheit zurück nach Berlin kommt und auf der Suche nach neuen »Jobs« ist, wie Raubüberfälle szeneintern genannt werden.
Natürlich hat sich die Welt inzwischen weitergedreht, die alten Kontakte taugen nichts mehr. So dauert es, bis Trojan die Aussicht auf einen lukrativen Auftrag erhält: Ein Gemälde von Caspar David Friedrich soll auf Bestellung eines exzentrischen Millionärs aus einem Berliner Depot gestohlen werden. Der Coup bringt ihn mit zwei Kompagnons und der Fluchtfahrerin Diana (Marie Leuenberger) zusammen, mit der sich ein zartes Tête-à-Tête anzudeuten scheint, aber in der Welt, in der sich beide bewegen, ist für Liebe kein Platz. Wem dies alles bekannt vorkommt, liegt durchaus richtig. Freimütig bedient sich Arslan aus dem Besteckkasten des Genres und fügt ihm – leider, muss man sagen – nichts Neues hinzu. Film-Noir-gerecht bewegen sich die handelnden Personen durch düstere, verbrauchte urbane Landschaften, treffen sich auf wüsten Stadtbrachen und fahren mit fetten Wagen durch öde, abweisende Gegenden. Geredet wird nur das Nötigste, kein freundliches Wort, nirgends. Vorsicht, Misstrauen und Wortkargheit sind die Richtschnur ihres Denkens und Handelns.
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Das Misstrauen allerdings ist vollauf berechtigt, denn wie sich nach dem gelungenen Raubzug herausstellt, hat der ominöse Millionär im Hintergrund gar nicht die Absicht, die vereinbarte Summe über den Tisch zu reichen und beauftragt seinen Handlanger Victor (Alexander Fehling), die Sache zu regeln. Sie können sich vermutlich denken, wie es weiterläuft. Bald geht es für die Beteiligten nurmehr darum, überhaupt mit dem Leben davonzukommen. Es beginnt ein Hauen und Stechen, Verrat hier, Hinterlist da, Gemälde und Geld wandern von einem zum anderen – wo beide am Ende landen, sei hier nicht verraten.
Letztlich erzählen auch solcherart Genre-Filme wie »Verbrannte Erde« viel über die Gesellschaft, in der sie spielen. Das Geschehen auf der Leinwand zeigt, dass neoliberale Gesetzmäßigkeiten auch die Halbwelt durchdringen – alle kochen ihr eigenes Süppchen, jeder kämpft für sich und alle kämpfen gegen alle, the winner takes it all. Die Faszination, die solcherart Geschichten auf die Zuschauer ausüben, beruht wohl auf atavistischen Urinstinkten, als der Mensch dem Menschen tatsächlich noch ein Wolf war, bevor er die Ständegesellschaft und später den Sozialstaat erschuf. An der Rückabwicklung wird gegenwärtig fleißig gearbeitet und in der Welt, wie der Film sie entwirft, sind überwunden geglaubte Zustände bereits Realität.
»Verbrannte Erde« ist der zweite Teil einer geplanten Trilogie Arslans mit der Figur des Trojan. Zumindest im aktuellen Teil erfahren wir allerdings absolut nichts über die Beteiligten, ihre Vergangenheit und Beweggründe. Mišel Matičević verkörpert eine rätselhafte Düsternis und Verlorenheit, die jedoch nicht begründet wird und daher zusammenhanglos im Raum stehen bleibt. Eine Nähe zu den Figuren kann so kaum entstehen. Zudem ist der Film linear und sehr geradeaus erzählt, ohne Schnörkel und intellektuelle Abweichungen. Der Berlinale-erfahrene Zuschauer sucht die tiefere Botschaft und wartet die ganze Zeit darauf, dass sich eine zweite Bedeutungsebene auftut, irgendeine originäre Idee erscheint, die klarmacht, was Arslan, der auch das Drehbuch geschrieben hat, an dem Stoff interessiert hat. Doch Arslan scheint lediglich die großen Vorbilder kopiert zu haben – das reicht immerhin für einen gelungenen Unterhaltungsfilm.
»Verbrannte Erde«, Deutschland 2024. Regie und Buch: Thomas Arslan. Mit: Mišel Matičević, Marie Leuenberger, Alexander Fehling, Tim Seyfi, Bilge Bingül. Termine: 22.2., 12.30 Uhr, Cubix 9; 23.2., 15.30 Uhr, Cineplex Titania; 24.2., 21.30 Uhr, Zoo-Palast 1.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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