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Zerstörung am Río Guapinol

Der Nickel-Bergbau birgt Konflikte in Honduras, denen selbst die Regierung aus dem Weg geht

  • Knut Henkel, Guapinol
  • Lesedauer: 6 Min.
Der Umweltaktivist Juan López glaubt noch an die Regierung, die sich eigentlich gegen den Bergbau ausgesprochen hat und eine des Wandels sei. Aber nicht alle teilen seinen Optimismus.
Der Umweltaktivist Juan López glaubt noch an die Regierung, die sich eigentlich gegen den Bergbau ausgesprochen hat und eine des Wandels sei. Aber nicht alle teilen seinen Optimismus.

Vom Haus mit dem Friseursalon und dem Nachbarschaftsladen von Juana Zúñiga und ihrem Ehemann José Cedillo bis zum Ufer des Río Guapinol sind es nur ein paar Hundert Meter. Die beiden leben in direkter Nähe zur Nickelerz-Pelletieranlage des Unternehmens Inversiones Los Pineros (ILP). Die vor zwei Jahren fertiggestellte Anlage befindet sich am anderen Flussufer.

Der recht breite Fluss mäandert an den von Wald bedeckten Uferstreifen entlang. Friedlich sieht es aus, wären da nicht die dicken mit Parolen in hellblauer und weißer Farbe beschriebenen Felssteine im Flussbett. »Wir lieben dich, Guapinol«, »Nein zum Bergbau« und »Guapinol widersteht« ist auf den mächtigen Brocken zu lesen, die der Fluss irgendwann einmal hier abgelegt hat. Juana Zúñiga, die fast alle in der Nachbarschaft bei ihrem Spitznamen »Monchi« nennen, ist mächtig genervt vom ohrenbetäubenden Krach der Anlage, von der Erzsteine zerkleinert werden. Die Mutter dreier halbwüchsiger Kinder protestiert gegen die Industrieansiedlung und ist deshalb nicht mehr sicher.

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»Mehrere Morddrohungen habe ich erhalten, weil ich mich gegen das Megaprojekt engagiere und für den Schutz der Umwelt, ohne die wir hier keine Zukunft haben«, sagt die Aktivistin der lokalen Umweltorganisation. Dem »Gemeindekomitee zur Verteidigung der kommunalen und öffentlichen Güter von Tocoa« gehören mehrere Dutzend Aktivist*innen an. Juan López koordiniert die Arbeit der Initiative. »Etliche unserer Mitstreiter*innen haben die Region jedoch nach drei Morden im vorigen Jahr verlassen oder pendeln zwischen der nächstgrößeren Stadt Tocoa und unserer gefährlichen Kleinstadt«, erklärt er die brisante Situation.

Auf dem Weg nach Guapinol wurden am 7. Januar 2023 Aly Domínguez und Jairo Bonilla mutmaßlich von Auftragskillern erschossen. Am 15. Juni folgte der Mord an Óscar Oquelí Domínguez in seinem Haus in Guapinol.

Diese drei Morde haben Angst gesät in dem beschaulichen Ort, wo rund 300 Menschen leben, an deren Rand aber die lärmende Pelletieranlage steht, die zu einem Großprojekt gehört. Die Verantwortlichen dahinter heißen Lenir Pérez und seine Frau Ana Facussé, ihre Unternehmen ILP und Inversiones Ecotec. »Sie drohen unsere gesamte Region zu verwüsten, denn sie haben nicht nur eine Mine auf dem ursprünglichen Terrain des Nationalparks Montaña de Botadores Carlos Escalera und die Pelletieranlage gegenüber von Guapinol, sondern bauen auch an einem Kraftwerk, das mit Petcoke betrieben werden soll«, erklärt Juana Zúñiga. Petcoke oder Petrolkoks ist ein Erdölderivat, bei dessen Verstromung enthaltene Schwermetalle, darunter Nickel, Cadmium und Vanadium, aber auch Schwefel freigesetzt werden und nur über aufwendige Filtertechnik aufgefangen werden können.

Ob das jedoch geschehen wird, daran zweifeln die Umweltaktivist*innen, die sich auch für den Schutz des Nationalparks einsetzen, aus dem das Wasser der Flüsse in der Region stammt. Der eigentliche Park ist ein paar Fahrstunden entfernt, an dessen Rand wird aber Nickelerz abgebaut. Illegal, so die Umweltaktivist*innen, denn die Mine Los Pinares wurde auf einem Landstreifen von zweihundert Hektar, der ursprünglich zum Nationalpark gehörte, errichtet. Mit deren Bau und Betrieb ist das Wasser, das flussabwärts in Guapinol ankommt, nicht mehr trinkbar. »Sedimente sorgen seit Jahren dafür, dass wir Trinkwasser kaufen müssen«, erklärt Juana Zúñiga. Die Mine, die den Rohstoff für die Nickel-Pelletieranlage am anderen Ufer von Guapinol liefert, ist aber weiterhin in Betrieb.

Ein Widerspruch, denn das nationale Parlament hat am 21. Februar mit dem Gesetz 18-2024 eine Grundsatzentscheidung getroffen, die für ILP einem Desaster gleichkommt. »Das Parlament hat den Nationalpark als unantastbar definiert und auch die illegale Übertragung von 200 Hektar Land im Jahr 2019 an das Bergbauunternehmen revidiert«, erklärt die Anwältin Rita Romero. Das überaus positive Urteil für die Umweltbewegung hat jedoch einen Haken: Auch knapp acht Wochen nach der Verabschiedung ist das Gesetz nicht in der Gaceta oficial, dem offiziellen Mitteilungsblatt der Regierung, veröffentlicht worden. Das ist jedoch die Voraussetzung für das Inkrafttreten. »Wir glauben, dass hinter den Kulissen an allen Hebeln gezogen wird, um den Rückbau der Mine, die zahlreiche Umweltschäden verursacht hat, zu verhindern,« so die Anwältin.

Anders ist es kaum zu erklären, dass Präsidentin Xiomara Castro das Gesetz nicht unterschrieben und weitergeleitet hat. Der Jurist Joaquín Mejía hinterfragt in einem Beitrag für den Radiosender »El Progreso«, ob Castro überhaupt Willens ist, den Weiterbetrieb der Mine zu untersagen. Mit seiner Skepsis ist er nicht allein: »Wir wissen, dass Lenir Pérez sehr einflussreich ist, gute Kontakte in mehrere Ministerien hat und wohl auch in die Familie der Präsidentin«, sagt Rita Romero. Die Nichtumsetzung des Beschlusses lässt Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Präsidentin aufkommen. Dass der Umgang mit der Entscheidung ein Skandal ist, denken mittlerweile viele. Zumal Castro zu Beginn ihrer Amtszeit ankündigte, Honduras zum bergbaufreien Land machen zu wollen.

Davon ist aber mehr als zwei Jahre nach ihrem Amtsantritt nicht mehr die Rede. Bei den Aktivist*innen der Umweltbewegung ist längst Ernüchterung eingekehrt: »Der politische Wille fehlt, um gegen die Bergbaulobby vorzugehen«, erklärt Reynaldo Domínguez. Der 60-jährige, drahtige Mann ist mit seiner Frau Mabel de la O in die Stadt El Progreso geflohen, nachdem seine beiden Brüder Aly und Óscar Oquelí Domínguez erschossen wurden.

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft kommen bei den Morden nur langsam voran. Das gilt auch für die Verfahren, die die Umweltbewegung gegen den illegalen Betrieb der Mine Los Pinares im Nationalpark führt. Das nervt Juan López, Umweltaktivist aus dem kirchlichen Spektrum, der allerdings noch an die Regierung glaubt: »Sie ist eine des Wandels, braucht aber zu viel Zeit. Wir als Zivilgesellschaft werden den längeren Atem haben«, gibt er sich optimistisch.

Das sehen nicht alle in der Umweltbewegung so, denn ILP zieht mittlerweile alle Register. »Gerade läuft eine Kampagne, in der sich das Unternehmen als verantwortungsbewusst darstellt, das rund 3000 Arbeitsplätze generiert habe und der Region Entwicklung bringen werde«, sagt Juana Zúñiga. Sie sieht aber noch eine andere Seite: »Parallel zu der Kampagne wird der Strom abgestellt, um auf die Notwendigkeit des Kraftwerks hinzuweisen«, ärgert sie sich.

Sie saß am Dienstag erst wie die ganze Kleinstadt im Dunkeln und ist einen Tag später schon wieder mit Flyern und Transparenten gegen das Kraftwerk auf der Straße. Das wird neben der Nickel-Pelletieranlage gebaut, und sie vermutet hinter den Stromabschaltungen eine Strategie, um die Bevölkerung zur Zustimmung für den Betrieb zu nötigen. »Die Tragweite des Umweltskandals, den wir hier erleben, war ursprünglich kaum absehbar. Das hat sich erst nach und nach als Megaprojekt erwiesen«, meint sie. So sei es einfacher gewesen, Konzessionen und Lizenzen zu erhalten, so die mutige Frau, der auch mit Angriffen auf ihre Kinder gedroht wird, falls sie den Widerstand gegen das Projekt nicht ruhen lasse.

Doch Juana Zúñiga und ihr Mann José Cedillo lassen sich nicht einschüchtern. Sie warnen weiterhin vor den Risiken für die Atemwege, die die Emissionen mit sich bringen würden. »Es geht um unsere Zukunft«, sagt sie. »Wir wollen in einem gesunden Umfeld und nicht in einer vergifteten Welt leben.«

Bedrohter Umweltschutz

Honduras ist schon lange ein Hotspot für Umweltkonflikte. Laut World Witness ist es nach Kolumbien, Brasilien und Mexiko das viert gefährlichste Land der Welt für Umweltaktivist*innen. 14 Menschen, darunter eine Frau, starben 2022 in dem mittelamerikanischen Land. An der Gefährdung hat sich auch unter der seit dem 27. Januar 2022 regierenden Präsidentin Xiomara Castro nichts geändert, obwohl sie bei ihrem Amtsantritt ein Ende des Bergbaus und den Schutz der Menschenrechte ankündigte. Beides ist bislang nicht eingetreten.
Der Umweltschützer Reynaldo Domínguez hat bis zum Juni 2023 in der kleinen Stadt Guapinol gelebt. Nachdem aber zwei seiner Brüder ermordet wurden, holte ihn der Jesuitenpadre Ismael Moreno Soto mit seiner Frau zu sich in die Stadt El Progreso. Padre Melo, wie ihn die allermeisten in Honduras rufen, tritt für die Menschenrechte ein.
Das hat er auch von der Präsidentin und dem Menschenrechtsbüro der Regierung erwartet. Wegen der insgesamt drei Morde in Guapinol bat der Geistliche das Menschenrechts-Sekretariat um Hilfe. Die zuständige Ministerin Natalie Roque verwies aber nur auf die knappen Kassen.
Padre Melo hat ein weiteres Mal erfahren, dass die Regierung den Schutz für bedrohte Aktivist*innen aus der Zivilgesellschaft nicht gewährleisten kann. Tatsächlich ist die Zahl der Gewalttaten gegen sie unter der Regie der vermeintlich progressiven Präsidentin stark angestiegen. Ein offener Brief von 55 Menschenrechtsorganisationen aus dem Februar 2024 kritisiert das. Doch geschehen ist bislang nichts. khe

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