Hitzefrei in Südostasien

Extrem hohe Temperaturen meldet die Region seit Anfang April. Vor allem Kinder und Senioren leiden

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 4 Min.
Wer vor die Tür muss, versucht sich wie hier in Yangon (Myanmar) zumindest vor der Sonnenstrahlung zu schützen.
Wer vor die Tür muss, versucht sich wie hier in Yangon (Myanmar) zumindest vor der Sonnenstrahlung zu schützen.

Auf den Philippinen geht der hitzebedingte Schulausfall für 3,6 Millionen Mädchen und Jungen in 7000 Schulen in mehreren Regionen des südostasiatischen Inselstaates weiter. Die Regelung wurde jetzt noch ausgedehnt: Wie das Bildungsministerium am Wochenende mitteilte, wird der Präsenzunterricht landesweit mindestens am Montag und Dienstag ausgesetzt. Da für die Philippinen ein Ende der extrem hohen Temperaturen frühestens Mitte Mai in Aussicht steht, könnte diese Regelung deutlich verlängert werden.

Das Wetteramt warnte, dass der Hitzeindex – also die gefühlte Temperatur mit Blick auf die Luftfeuchtigkeit und andere Faktoren – vielerorts gefährliche oder sogar extrem gefährliche Werte erreiche. In Tarlac, eine Fahrtstunde nördlich von Manila, wurde bei gemessenen Temperaturen von über 40 Grad der Hitzeindex mit 53 Grad angegeben. Die Bevölkerung wurde aufgefordert, sich möglichst wenig im Freien aufzuhalten und sich mit Hüten und Schirmen vor der Sonneneinstrahlung zu schützen.

Weite Teile Südost- und Südasiens stöhnen seit Wochen unter einer extremen Hitzewelle. Besonders betroffen sind auch Indien und Bangladesch, Thailand, ganz Indochina und Indonesien. Auf den Philippinen trifft sie jetzt Kinder, die schon während der Coronazeit besonders lange im Lockdown waren. Der Schwenk zu Online-Unterricht, an dem gerade viele Schüler aus den ärmeren Familien mangels Geräten und Internetverbindung nicht teilnehmen können, ist noch recht frisch in unguter Erinnerung. Und zu Hause ist es bei den Ärmsten, die sich oft nicht mal einen Ventilator leisten können, nicht weniger heiß als in den Schulgebäuden. Dass zum Beispiel die Stadtverwaltung Manilas im größten Slum Tondo mobile Wasserbecken zur Abkühlung der Kinder aufgestellt hat, bringt nur kurze Linderung.

Ältere, kleine Kinder, Schwangere oder kranke Menschen leiden in der mörderischen Hitze Südostasiens ganz besonders. Allein in Thailand waren laut Gesundheitsministerium dieses Jahr schon mindestens 30 Todesfälle wegen Hitzschlag zu verzeichnen. Besonders chronisch kranke Menschen, Senioren und Übergewichtige sind gefährdet. Es werden noch mehr Opfer erwartet, denn bis zum verspäteten Einsetzen des Monsuns dürften es laut Prognosen noch vier Wochen sein.

Die Auswirkungen der extremen Temperaturen sind allerdings nicht nur auf die Gesundheit gravierend. Indonesien rechnet bereits mit Einbußen bei der nächsten Reisernte. Auch anderswo dürfte es nicht nur bei dem Hauptnahrungsmittel zu deutlich geringeren Erträgen kommen, da man den Pflanzen auf den Feldern gewissermaßen beim Vertrocknen zusehen kann.

Ein weiteres Problem ist der beträchtlich steigende Stromverbrauch in der Region. In Thailand wurde am späten Sonnabend der bisherige Allzeitrekord überboten. Wer sich glücklich schätzen kann, über eine Klimaanlage zu verfügen, lässt diese auf Hochtouren laufen. Auch strömen Menschen in Scharen zur kurzfristigen Abkühlung in die riesigen Shopping-Malls – da unterscheidet sich Bangkok nicht von philippinischen oder indonesischen Großstädten.

In Myanmar trifft die Hitzewelle wiederum ein ohnehin von wirtschaftlichem Niedergang nach dem Putsch und vom Bürgerkrieg geplagtes Land. Hier gibt es über 2,6 Millionen Binnenflüchtlinge, die ohnehin unter unsäglichen Bedingungen in notdürftigen Lagern ausharren müssen und jetzt noch ungeschützter sind als andere.

Auch Vietnam meldet große Hitze. Speziell in Ho-Chi-Minh-Stadt liegen die Tagestemperaturen seit Ende März konstant bei über 35 Grad. Zwar kennt das Land Hitzeperioden, jedoch werden diese nach Expertenangaben immer länger.

Vielerorts wurden die Rekordwerte von 2023 übertrumpft, als bereits von einer »Jahrhunderthitze« die Rede war. »Asien bleibt die am stärksten von Wetter-, Klima- und Wassergefahren betroffene Region der Welt«, heißt es in einem kürzlich veröffentlichten Bericht der UN-Meteorologieorganisation für das vergangene Jahr. Dies betreffe die Entwicklung bei den wichtigsten Anzeichen des Klimawandels wie Oberflächentemperatur, Gletscherrückgang und Anstieg des Meeresspiegels, die zahlreiche Opfer forderte und erhebliche wirtschaftliche Verluste verursachte.

Derweil sind in Bangladesch nach vorübergehenden Schulschließungen 33 Millionen Kinder seit Sonntag wieder zurück in ihren Klassenzimmern – obwohl sich an der Backofenhitze nichts geändert hat. Vier Wochen Extremwerte am Stück, das hat es seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1948 in dem Land noch nicht gegeben, wie der Meteorologe Mohammed Bazlur Rashid deutlich machte. Neu ist auch, dass diesmal drei Viertel der Landesfläche betroffen sind. Um vier bis fünf Grad lagen die Messwerte in Bangladesch vorige Woche über dem Durchschnitt der vergangenen 30 Jahre. Mit Agenturen

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