Bertelsmann-Stiftung: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm

Viele Gründer von Start-ups kommen aus Unternehmer- und Akademikerfamilien

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.
Wer ein Start-up gründet, dessen Eltern saßen mit hoher Wahrscheinlichkeit früher im Hörsaal.
Wer ein Start-up gründet, dessen Eltern saßen mit hoher Wahrscheinlichkeit früher im Hörsaal.

Bereits seit Mitte der 1990er Jahre sinkt das Wachstum der gesamtwirtschaftlichen Produktivität in Deutschland. Auch in anderen entwickelten Volkswirtschaften nimmt die Leistungsfähigkeit der Arbeit kaum noch zu. Abhilfe schaffen könnten vielleicht Start-ups, also junge technologieorientierte Firmen. Doch Inflation, hohe Zinssätze und die allgemeine wirtschaftliche Verunsicherung vermiesen derzeit jede Gründeraufbruchsstimmung. Immerhin sammelten Jungunternehmen hierzulande im vergangenen Jahr sechs Milliarden Euro ein, doch das waren 39 Prozent weniger als 2022 und 65 Prozent weniger als im Rekordjahr davor, als die Investitionssumme bei über 17 Milliarden Euro lag. Das zeigt das Start-up-Barometer der Beratungsgesellschaft EY. »Um auch in diesen schwierigen Zeiten an frisches Kapital zu kommen, reichen für Jungunternehmen gute Ideen allein nicht mehr aus«, heißt es bei EY. »Solide und gut durchdachte Geschäftsmodelle in Verbindung mit realistischen Umsatzprognosen und der Aussicht auf Profitabilität sind in den Augen der Geldgeberinnen und Geldgeber aktuell das A und O.«

Solche Rahmenbedingungen spielen echten Neulingen nicht in die Karten. Auch daher ist der familiäre Hintergrund von besonderer Bedeutung. »Vor allem der Bildungsgrad der Eltern und ihre berufliche Laufbahn prägen Start-up-Gründer*innen«, lautet das Ergebnis einer in dieser Woche von der Bertelsmann-Stiftung veröffentlichten Studie. Für die Untersuchung wurden insgesamt 1800 Unternehmen befragt. So kommen Startfreudige häufig aus einem Unternehmerhaushalt. Bei 38 Prozent der Jungbosse war mindestens ein Elternteil selbstständig tätig (Gesamtbevölkerung weniger als fünf Prozent). Der Apfel fällt also nicht weit vom Stamm. Minimal ist hingegen der Anteil von Arbeiterkindern unter den Gründern (fünf Prozent). Anders gesagt: Die Geschichte vom Tellerwäscher zum Start-up-Milliardär stammt aus dem Reich der Märchen.

Ein ähnliches Bild zeigt sich mit Blick auf die Ausbildung der Eltern: Sechs von zehn Gründern haben mindestens einen Elternteil mit akademischem Abschluss. 53 Prozent der Väter und 38 Prozent der Mütter haben eine entsprechende Berufsausbildung, wohingegen der Akademikeranteil in der Bevölkerung zwischen 55 und 74 Jahren lediglich bei 21 Prozent (Männer) beziehungsweise 15 Prozent (Frauen) liegt. Unter den Start-ups selbst liegt der Akademikeranteil sogar bei 85 Prozent.

Eltern – vor allem mit unternehmerischem Hintergrund, aber auch Beamte und Angestellte – fungieren mit ihren Netzwerken offenbar häufig als Vorbilder und Türöffner. Eine wichtige Rolle spielt zudem die finanzielle Unterstützung aus der Familie. Das bedenkliche Resultat der Bertelsmann-Studie: »Die klaren Ergebnisse bezüglich des bildungstechnischen und beruflichen Hintergrunds der Eltern zeigen, dass der Weg zur Start-up-Gründung stark durch die soziale Herkunft geprägt ist.«

Was ein Start-up genau auszeichnet, liegt freilich im Auge des Betrachters. Die EY-Analysten zählen dazu technologieorientierte Firmen, die vor allem in den Bereichen Software/KI, Finanzen, Pharma und Mobilität aktiv und nicht älter als zehn Jahre sind. Für das Jahr 2023 wurden auf dieser Basis 861 Start-up-Finanzierungen erfasst. Derweil machen sich aber über eine halbe Million Frauen und Männer jedes Jahr selbstständig, als Klempner, Bierbrauer oder Physiotherapeut. »Das ist gar nicht so wenig«, findet die Gründerplattform, ein Ratgeber im Internet, der von der staatlichen KfW-Förderbank betreut wird.

Doch wenn es nach dem Willen der Politik ginge, könnten es gerne noch mehr sein, vor allem innovative Start-ups. Auch deren Förderung ist eine Aufgabe für die KfW, die teils eigene Programme umsetzt, teils Finanzierungen des Bundes weiterleitet. Während die Statistik von EY eher größere Start-ups mit privaten Finanzierungen von bis zu 100 Millionen Euro und mehr erfasst, zielt die KfW stärker auf kleinere technologieorientierte Neugründungen.

Die Start-up-Förderung der KfW belief sich im vergangenen Jahr auf 2,1 Milliarden Euro, deutlich mehr als 2022 (1,3 Milliarden Euro). Der Anstieg sei insbesondere auf den Start mehrerer neuer Programme des Bundes zurückzuführen. Diese werden teilweise von privaten Investoren aufgestockt, darunter Versicherer, Stiftungen und Vermögensverwalter. Bei denen sei noch »reichlich trockenes Pulver vorhanden«, schreibt die KfW. Die Hoffnung auf Zinssenkungen im Jahresverlauf hebe nun die Stimmung der Investoren. Denn fallende Zinsen machten Start-ups als Anlageklasse wieder attraktiver. Und erleichtern somit auch für alte Hasen wieder die Beschaffung neuer Finanzmittel: Neun von zehn Gründern wollen nämlich später wieder ein Start-up aufbauen.

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