Heftiges Finale der Regenzeit
Nach Monsun schwere Überschwemmungen im Süden Indiens und schlechte Ernten
Die Regenzeit in Indien hat sich 2009 nicht an den meteorologischen Kalender gehalten, nach dem der Monsun am 30. September für beendet erklärt wurde. Für weite Teile des Subkontinents stimmte dies zwar. Doch die »Rückzugsgefechte« des Monsuns fielen in den südlichen Unionsstaaten Andhra Pradesh und Karnataka ungewöhnlich heftig aus.
Seit Tagen gibt es dort extreme Niederschläge, Flüsse traten über die Ufer und ganze Landstriche sind überschwemmt. Bis Dienstagmittag waren über 280 Tote zu beklagen, 2,5 Millionen Menschen wurden obdachlos. Hunderte Dörfer sind von der Umwelt abgeschnitten, Straßen und Bahnstrecken unterbrochen. Zahlreiche lokale und Fernzüge der Süd-Zentral-Eisenbahnen blieben stecken. Tausende Stück Vieh kamen um. Ernten wurden vernichtet. Am Wochenende saßen noch zehntausende Menschen auf Dächern und Bäumen. Hubschrauber der Streitkräfte retteten viele Bürger. Allein in Karnataka fanden 123 000 obdachlos gewordene Familien Aufnahme in 480 Notlagern
Trotz des katastrophalen Finales zählt die Regenzeit zu den unergiebigsten der letzten 100 Jahre. Die Niederschläge erreichten nur 77 Prozent des langjährigen Mittels, das bei 884 Millimetern für die Monate Juni bis September liegt. 259 von 533 meteorologischen Distrikten meldeten Regendefizite von 20 bis 59 Prozent. Landesweit sind die 81 großen Wasserreservoire nur zu knapp 60 Prozent gefüllt. Von dem Manko war über die Hälfte der indischen Landfläche betroffen. 60 Prozent der gesamten Agrarwirtschaft – etwa 235 Millionen Bauern – hängen direkt vom Monsun als Hauptbewässerungsquelle ab. Und 70 Prozent aller Inder sichern ihren Lebensunterhalt mit landwirtschaftlichen Tätigkeiten. Ein schwacher Monsun hat deshalb weitreichende negative Auswirkungen für die Beschäftigung und die beiden Ernten sowie somit für die Nahrungsmittelsicherheit der mehr als eine Milliarde Inder.
Beim Hauptnahrungsmittel Reis wird mit einer Ernteeinbuße von zehn Millionen Tonnen gerechnet. Schwer betroffen sind außerdem Weizen, Zuckerrohr, Ölsaaten, Erdnüsse, Linsen und Baumwolle. Bereits unter normalen Bedingungen muss Indien jährlich 15 Millionen Tonnen Speiseöl importieren, rund die Hälfte des nationalen Bedarfs. Infolge der Trockenheit wird die Regierung nicht umhinkommen, die Importe für Öl und andere Grundnahrungsmittel zu erhöhen. Premier Manmohan Singh sprach zwar ebenfalls von einer »schweren Trockenheit«. Doch er fügte hinzu, man habe ausreichende Reserven angelegt, um wenigstens die Armen im Rahmen des staatlich subventionierten öffentlichen Verteilungssystems versorgen zu können. Angeblich betragen die Lagerbestände an Weizen 33 Millionen Tonnen und an Reis 19 Millionen Tonnen.
Der Markt hat indes bereits mit enorm gestiegenen Lebensmittelpreisen, z. B. für Zucker, Mehl, Milch, Linsen, Obst und Gemüse, reagiert. Landwirtschaftsminister Sharad Pawar zeigte sich dennoch optimistisch: Er erklärte am Wochenende, die Regierung werde umgehend zusätzliche Programme starten, mit denen die nächsten beiden Erntesaisons ertragreicher werden sollen. Mehr Niederschläge können diese freilich auch nicht herbei zaubern.
Wissenschaftliche Studien weisen auf einen Zusammenhang zwischen der globalen Erwärmung und sinkenden Niederschlägen auf dem südasiatischen Subkontinent hin: In den vergangenen 53 Jahren nahmen demnach die Tage mit mehr als 12 Millimetern Regenmenge um 78 Prozent ab. So muss auch in den nächsten Jahren mit geringeren Regenmengen gerechnet werden. Negative Auswirkungen könnte auch die Schmelze des grönländischen Eispanzers haben.
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