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- Regierungsprogramm für Brandenburg
Leitern für den sozialen Aufstieg
Matthias Platzeck und Kerstin Kaiser verkündeten Ehrgeiziges in Krisenzeiten
Das brandenburgische Staatsschiff hat für die nächsten fünf Jahre Kurs Backbord eingeschlagen. In Potsdam haben gestern Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und LINKEN-Fraktionschefin Kerstin Kaiser gemeinsam zu ihren politischen Zielen Stellung genommen. Aber noch müssen zwei Landesparteitage am 4. November dem rot-roten Bund grünes Licht geben. Am 6. November könnte dann Platzeck erneut zum Ministerpräsidenten gewählt werden.
»Erneuerung und Gemeinsinn – ein Brandenburg für alle« steht über den 55 Seiten Koalitionsvertrag, die nun die politische Grundlage der Zusammenarbeit von SPD und LINKEN in der Mark sind. Die vielfach schon in der Wiege angefeindete neue Landesregierung ist laut Präambel »offen für gute Ideen, woher sie auch kommen«.
»Wir wissen um die Verantwortung, die wir mit dieser Regierung in unserer Gesellschaft haben«, sagte Platzeck mit Blick auf das kritische politische und mediale Umfeld. Es bestehe jedoch nun die Chance, dass demokratische Parteien »ein Stück normaler« miteinander umgehen. Inzwischen müsse es mehr um Ziele und Kompetenz gehen und weniger darum, die Vergangenheit zum Maßstab zu machen. Es gebe Debatten innerhalb der SPD, die bis auf den heutigen Tag anhalten, sagte er. Doch dass seine Entscheidung pro LINKE auch in Brandenburg nicht völlig aus der Luft gegriffen war und in einer geistigen SPD-Tradition steht, wurde danach deutlich. Platzeck erinnerte daran, dass schon vor zehn Jahren die 2001 verstorbene Regine Hildebrandt »vehement« für eine Koalition mit der damaligen PDS eingetreten war. Inzwischen sei es Zeit gewesen, »diese Debatte auf den Punkt zu bringen«.
Kerstin Kaiser nannte das Ideal der sozialen Gerechtigkeit den Leitfaden der neuen Regierung und als eines ihrer Ziele, die Demokratie zu stärken. Bezogen auf die DDR-Geschichte sei die neue Regierung »keine Koalition des Schlussstrichs«, versicherte sie. Von beiden Partnern gefordert sei Geschick bei der politischen Zusammenarbeit und bei der Gestaltung der Entwicklung im Bundesland.
In der Tat – Geschick und Ideenreichtum müssen in der kommenden Zeit vieles ersetzen. Denn angesichts der Krise und deprimierend leerer Landeskassen kündigten die beiden Politiker ehrgeizige Ziele an. Bis Ende 2010 werden dem Land jedoch 1,5 Milliarden Euro fehlen – die Einnahmerückgänge durch Neuverfügungen der CDU-FDP-Bundesregierung kommen noch hinzu. Der von der LINKEN nominierte neue Finanzminister Helmuth Markov war laut Kaiser »erfolgreicher Unternehmer«, hat nach 1990 die Landespolitik mitgestaltet und »kennt sich mit Finanzpolitik aus«. Mit ihm werde es eine Finanzpolitik geben, die »nicht stranguliert«, die aber auch kein Hasardspiel sein werde.
Doch auch er wird kein Geld erfinden können. »Es sind große Probleme«, bestätigte der Ministerpräsident. Doch verwies er danach auf einen Lichtblick: Die Arbeitslosigkeit in Brandenburg ist derzeit mit elf Prozent die niedrigste seit der Wende.
Grundidee des Regierungshandelns ist laut Platzeck, dass »nachsorgende Sozialpolitik« dort eingreifen werde, wo es nötig ist. Vor allem aber soll sie so weit dies möglich ist durch »vorsorgende Sozialpolitik« überflüssig gemacht werden, das heißt durch die Vermittlung der Fähigkeiten, individuell den sozialen Aufstieg zu schaffen. Es gelte »mehr Leitern für den sozialen Aufstieg« aufzustellen.
Angesichts der innerparteilichen Debatte um die Frage, ob die LINKE bei der Energiepolitik zu große Zugeständnisse gemacht habe, sagte deren Fraktionschefin Kaiser, es bleibe dabei, dass die Mehrheit der Landespartei für den mittelfristigen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung sei. Dabei handle es sich um eine Position, »die wir nicht verändern« und die auch nicht im Widerspruch zum gerade ausgehandelten Koalitionsvertrag stehe.
Auf eine binnen Tagen gewachsene Zustimmung der Sozialdemokraten zur neuen Bündnispolitik verwies Platzeck. Dem Koalitionsvertrag haben zwölf Mitglieder im Landesvorstand zugestimmt, eines enthielt sich. Bei der Sondierungsentscheidung zugunsten der LINKEN waren es erst neun Zustimmungen bei fünf Enthaltungen. Die Entscheidung des Landesvorstandes und des Landesausschusses der Linkspartei, über den Koalitionsvertrag erst nach den anstehenden Regionalkonferenzen abzustimmen, verteidigte Kerstin Kaiser. »Ich bin sicher, dass der Vorstand ein positives Votum vor dem Parteitag abgibt.« Der designierte linke Wirtschaftsminister Ralf Christoffers sagte gestern, er gehe von einer breiten Zustimmung beim Sonderparteitag kommende Woche aus.
Der Koalitionsvertrag räumt ein: »Beim Neuaufbau des Landes gelang es nicht, allen Menschen eine Zukunftsperspektive zu ermöglichen.« Kerstin Kaiser betonte die Fokussierung der neuen Regierungspolitik auf eine Bildungspolitik, die Kindern aus ärmeren Verhältnissen den Zugang zu höherer Bildung erleichtert. Auch nach dem 6. Schuljahr soll der Übergang in ein Gymnasium möglich werden. Das von der Vorgängerregierung gebildete »Netzwerke gesunde Kinder« werde weiterentwickelt, sicherte die vierfache Mutter zu. Kaiser betonte weiterhin die »starke ökologische Ausrichtung« des neuen Kurses.
Das Kabinett
Günter Baaske, 52. Der SPD-Fraktionschef wird Minister für Arbeit, Soziales, Familie und Frauen.
Ralf Christoffers, 53. Seit 1994 im Landtag, früher PDS-Landeschef und bald linker Wirtschaftsminister.
Jutta Lieske, 48, seit 2004 SPD-Abgeordnete und künftig Ministerin für Landwirtschaft und Infrastruktur.
Helmuth Markov LINKE, 57, ist frisch aus dem EU-Parlament zurück, wird Finanzminister und Platzecks Vize.
Martina Münch, 48 Jahre, ist im SPD-Landesvorstand und bald zuständig für Kultur und Wissenschaften.
Holger Rupprecht, SPD, 56, ist seit 2004 Bildungs-, Jugend- und Sportminister und bleibt es auch.
Volkmar Schöneburg, 51. Der Linkspolitiker und Verfassungsrichter wird der neue Justizminister.
Rainer Speer, SPD, 50. Der gebürtige Berliner übernimmt das Innenressort. Er ist noch Finanzminister.
Anita Tack, LINKE, 58, wird Ministerin für Verbraucherschutz, Umwelt und Gesundheit. (jme)
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