»Trybuna« eingestellt
Polen künftig ohne linke Tageszeitung
Materielle Schwierigkeiten haben den Verleger, die Gesellschaft »Ad novum«, zur Einstellung der Zeitung gezwungen. Die Nachricht soll die Redakteure selbst überrascht haben. Zwar versicherte die Redaktion auf der am selben Tag geschlossenen Internetseite, dass die Leser ihre Zeitung binnen zwei Monaten wieder am Kiosk finden würden, doch alle von ND befragten Persönlichkeiten aus dem linken Lager bezweifeln die Realität eines Wiedererscheinens.
Der Herausgeber stehe mit 100 Millionen Zloty in der Kreide. Hauptgläubiger ist das Druckereiunternehmen »Dom Slowa Polskiego«, das ebenso wie alle ehemals parteieigenen Verlags- und Druckereibetriebe der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PVAP) nach 1989 verstaatlicht oder privatisiert wurde. Die meisten Zeitungstitel wurden seinerzeit an Solidarnosc-Anhänger verschenkt. Fast 3000 polnische Journalisten wurden arbeitslos.
Aus dem Zeitungskopf des früheren Parteiorgans »Trybuna Ludu« wurde das Wort »Ludu« (des Volkes) gestrichen. Die neue Redaktion war zunächst »organisch« mit der Sozialdemokratie der Republik Polen (SdRP) verbunden und blieb dem daraus hervorgegangenen Bündnis der Demokratischen Linken (SLD) auch unter drei weiteren Redaktionsleitungen nahe. Schließlich versuchte man »überparteilich« zu fungieren, was indes keine Erhöhung der Auflage – zuletzt 20 000 Exemplare – bewirkte. Der letzte Chefredakteur Wieslaw Debski sagte dem ND-Korrespondenten vor zwei Monaten, er hoffe auf neue Investoren, die aber heute wie damals nicht in Sicht sind. 30 Kollegen der Redaktion und der Verwaltung von »Trybuna« gingen zunächst in den Urlaub. Für Abfindungen gibt es keine Mittel.
Was auf dem polnischen Pressmarkt im Kampf gegen den rechtskonservativen Zeitgeist übrig bleibt, ist an den Fingern einer Hand abzuzählen: Jerzy Urbans Wochenzeitung »NIE« (dessen Herausgeber und Chefredakteur es gut geht), die Wochenschrift »Przeglad«, die dank hervorragender Federn und alternativer Themenwahl zigtausende Leser findet, das objektive Wochenmagazin »Polityka«, die Vierteljahresschrift »Zdanie« in Kraków und die polnische Ausgabe der monatlich erscheinenden »Le Monde Diplomatique«. Zum linken Pressespektrum gehören darüber hinaus die Zeitschrift »Krytyka Polityczna«, die von einer Gruppe junger Leute herausgegeben wird, und die Monatsschrift »Racjonalista«.
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!