Die Generäle und der Vorschlaghammer

Putschpläne des Militärs in der Türkei

  • Jan Keetman, Istanbul
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Veröffentlichung eines angeblichen Putschplanes des Militärs aus dem Jahre 2003 sorgt in der Türkei für Aufsehen. Er sah Bombenanschläge auf Moscheen in Istanbul und die Provozierung einer militärischen Krise mit Griechenland vor. Das Militär wiegelt ab, das Papier sei lediglich eine Montage aus Kriegsszenarien.

Das in der Zeitung »Taraf« in Auszügen veröffentlichte Putschszenario mit dem Codenamen »Vorschlaghammer« umfasst nicht weniger als 5000 Seiten. Der Plan soll 2003 auf einer Versammlung von 162 Offizieren, davon 29 im Generalsrang, beschlossen worden sein. Im November 2002 war die gemäßigt islamische Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP), heute meist als AK-Partei (»weiße Partei«) bezeichnet, an die Macht gekommen. Ein zwei Tage vor der Wahl vom Verfassungsgericht angenommenes erstes Verbotsverfahren gegen die AKP hatte die Wähler offensichtlich nicht abgeschreckt. Wenn sich die Veröffentlichungen bewahrheiten, müssen danach die Putschpläne des Militärs regelrecht ins Kraut geschossen sein. Auf »Vorschlaghammer« folgten ein Jahr später mindestens noch »Mondlicht« und »Blondine« und später »Meeresleuchten«.

Bei diesen Plänen ging es vor allem darum, die Atmosphäre für einen Putsch vorzubereiten. »Vorschlaghammer« sah vor, dass während des Freitagsgebetes in zwei großen Moscheen im historischen Kern Istanbuls, der Fatih-Moschee und der Beyazit-Moschee, Bomben zur Explosion gebracht werden. Die Moscheen sind dafür bekannt, dass sie von vielen bärtigen Fundamentalisten und schwarz verhangenen Frauen besucht werden. Die durch die Bomben aufgebrachte Menge sollte dann durch Provokateure zu Ausschreitungen gereizt werden.

Ein anderer Teil des Szenariums sah die Provozierung einer militärischen Krise mit Griechenland vor. In der Ägäis kommt es ohnehin ständig zu gefährlichen Rangeleien zwischen griechischen und türkischen Kampfflugzeugen, weil die Türkei die Lufthoheit Griechenlands über den Inseln nicht anerkennt. Diese »dog fights« sollten noch aggressiver geführt werden, notfalls bis hin zum Absturz einer türkischen Maschine, um dann die griechische Seite beschuldigen zu können. Außerdem sollte es Provokationen an der Landgrenze in Thrakien geben.

Nach den von »Taraf« veröffentlichten Unterlagen soll der Anführer des geplanten Putsches der Kommandant der 1. Armee, Cetin Dogan, gewesen sein. Dogan hat dem entschieden widersprochen. Es handele sich lediglich um eine Montage aus Kriegsspielen und taktischen Übungen. Vize-Ministerpräsident Cemil Cicek lehnte einen Kommentar zu »Vorschlaghammer« ab. Ohnehin fehlt es nicht an Ermittlungen gegen Militärs wegen diverser Umsturzpläne. Im sogenannten Ergenekon-Verfahren stehen rund 150 Personen vor Gericht. Hinzu sind neuerdings Ermittlungen wegen eines möglichen Mordkomplottes gegen den AKP-Politiker Bülent Arinc gekommen. Die Anzeichen verdichten sich, dass die Türkei in den vergangenen Jahren nur knapp einem Militärputsch entgangen ist.

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