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Mehr als nur Noteinsätze?
Fernando Galvan von »Ärzte ohne Grenzen« über die Grenzen der Hilfe / Der Mediziner arbeitet seit sieben Jahren als Logistiker für die Hilfsorganisation »Ärzte ohne Grenzen«
ND: Herr Galvan, Sie waren bei den verschiedensten Katastrophen-Einsätzen dabei und haben erlebt, wie unterschiedlich gut die Hilfsarbeit funktioniert. Probleme mit der Koordination der Hilfsarbeiten gibt es derzeit auch in Haiti. Warum gibt es so viele Organisationen, obwohl auch die UNO mit ihren Unterorganisationen tätig wird?
Galvan: Die Vereinten Nationen sind eine politische Organisation, sie vertreten die Länder der Welt und sie haben eine humanitäre Aufgabe. Doch das internationale humanitäre Recht ist unabhängig von den Vereinten Nationen. Die Genfer Konventionen regeln, wie in Konflikten bestimmte humanitäre Hilfe geleistet werden soll. Wir sehen uns in der Tradition dieser Abkommen und unterstehen damit Prinzipien, denen sich die Vereinten Nationen nicht unbedingt verpflichtet fühlen. Neutralität zum Beispiel ist nicht immer gegeben. Die Vereinten Nationen können in einen Konflikt intervenieren und können eine andere Partei als Gegner haben.
Können Organisationen wie »Ärzte ohne Grenzen« deshalb schneller eingreifen als die UNO?
Das kommt auf die Situation an. In bestimmten Ländern ist die UNO-Präsenz stärker vorhanden. Wenn die Vereinten Nationen ein klares Mandat haben, dann sind sie schneller. Oft ist die UNO sehr bürokratisch, sie hat Unterorganisationen, manche Abteilungen sind zu groß. Um sich zu bewegen, brauchen sie Zeit. »Ärzte ohne Grenzen« hat eine Struktur, die ein relativ schnelles Handeln ermöglicht. Wir sind 24 Stunden am Tag bereit und können daher 24 Stunden am Tag auf Katastrophen in der Welt reagieren.
Vielfach, so der Eindruck, folgt die internationale Hilfe bei Katastrophen wie der in Haiti nach dem »Feuerwehrprinzip«: löschen und wieder abziehen. Auf die Hungersnöte in Sudan hat die Welthungerhilfe zum Beispiel so reagiert, dass sie mit Flugzeugen Lebensmitttel hat abwerfen lassen. Wie kann aber langfristig die Regionalwirtschaft in den betroffenen Ländern so gestärkt werden, dass Hungersnöte gar nicht erst entstehen?
»Ärzte ohne Grenzen« ist spezialisiert auf Noteinsätze, wir machen keine langfristige Aufbauhilfe. Das kann man kritisieren, wir sind uns dessen bewusst. Natürlich stößt man an Grenzen. In Südsudan sind die Kinder nicht mehr verhungert, aber ich wusste, nächstes Jahr sind sie womöglich wieder im Krankenhaus. Das ist natürlich schrecklich. Wir sagen: Jedes Leben zählt. Es geht nicht darum zu sagen, wir helfen nicht, weil wir die Ursachen für die Katastrophe nicht ändern können. Es gibt andere Organisationen, die dafür zuständig sind, und die sollen auch ihre Arbeit machen. Uns geht es konkret um das Leben der Menschen.
Derzeit ist auch in Deutschland die Spendenbereitschaft für Haiti groß. Was passiert, wenn das Interesse der Medien nachlässt und nicht mehr gespendet wird – wird das auch die Arbeit Ihrer Organisation beeinträchtigen?
Das Geld wird uns sicherlich nicht ausgehen. Wir sind eine anerkannte Organisation. Und wir sind sehr transparent. Wir haben immer Unterstützung erhalten.
Welche Grenzen gibt es für »Ärzte ohne Grenzen« bei den Einsätzen?
Es kann durchaus sein, dass wir sagen müssen: Wir können nicht helfen, weil die Bedingungen nicht gegeben sind. Zum Beispiel wurden 2005 in Afghanistan fünf Kollegen umgebracht. Da war klar, dass wir unsere Leute abziehen. Seit einem Jahr arbeiten wir wieder in Afghanistan, aber es hat uns Jahre gekostet.
Interview: Sabine Sölbeck
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