Delegiert in die Arbeitsgruppen
Der Runde Tisch zum Thema Kindesmissbrauch hat seine Arbeit aufgenommen
Berlin. »Wir sind die Experten, und wir sehen uns nicht vertreten«, kritisiert Norbert Denef, der Sprecher des Netzwerks Betroffener sexualisierter Gewalt auf der Pressekonferenz im Familienministerium. Ministerin Kristina Schröder (CDU) sieht die Betroffenen mit acht Vertretern unter den 61 Teilnehmenden dagegen gut aufgestellt.
Vor einem Monat hatte die Bundesregierung beschlossen, den Runden Tisch einzusetzen, nachdem immer mehr Fälle des Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen, mehrheitlich in katholischen Internaten bekannt geworden waren. Wie angekündigt beschloss das Gremium, dem auch Mediziner, Ärzte und Wissenschaftler sowie Vertreter von Bund und Ländern, Kirchen, Schulen und Familienverbänden angehören, drei Arbeitsgruppen einzurichten.
Schröder, deren AG sich mit Prävention befasst, will Institutionen, in denen Erwachsene eng mit Kindern und Jugendlichen zusammenarbeiten, »verbindliche Selbstverpflichtungen« auferlegen. Von denen könnte auch ihre künftige staatliche Förderung abhängen. In ihrem Eingangsstatement sprach sie darüber hinaus von einem »erweiterten Führungszeugnis« für hauptamtliche, möglicherweise sogar für ehrenamtliche Kräfte in der Kinder- und Jugendarbeit. Auch solle die Form der Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft besprochen werden.
Unter der Leitung von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) soll untersucht werden, was das Strafrecht in Missbrauchsfällen leisten kann. Man solle aber die Gesetze »auf keinen Fall überbewerten«, betonte die Ministerin, Unrecht könne damit nicht verhindert werden.
Auch für Bildungsministerin Annette Schavan wurde eine Aufgabe gefunden. Ihre Arbeitsgruppe wird sich des Themas in Forschung und Lehre annehmen. Weiterhin solle ein »Kompetenznetz« gebildet und die Ausbildung von Ärzten und Pädagogen verbessert werden.
Bei aller zur Schau getragenen Harmonie deuteten sich dennoch Meinungsunterschiede an – etwa beim Thema finanzielle Entschädigung. »Das wird schwierig«, sagte Leutheusser-Schnarrenberger, beim Runden Tisch Heimerziehung sei das auch so. Schließlich sollen die »Verantwortungsträger« in die Pflicht genommen werden, von der katholischen Kirche bis zu staatlichen Institutionen wie etwa Schulaufsichtsbehörden, erläuterte Schröder. Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Christine Bergmann, werde auf der Grundlage der gesammelten Fälle entsprechende Vorschläge machen. Nur zu gern betonten die Ministerinnen jedoch einvernehmlich, dass es vielen Opfern weniger auf die materielle Entschädigung als auf die gesellschaftliche Anerkennung ankomme.
Die Unterarbeitsgruppen sollen im Mai ihre Arbeit aufnehmen. Ein nächstes Treffen in großer Runde ist für September geplant.
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