»Ein Streik passt nie«

GDL entscheidet über Ausstand auch bei der S-Bahn

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.

Heute treffen sich rund 1000 Mitglieder der Lokführer-Gewerkschaft GDL in einem Hotel in der Friedrichstraße zum bundesweiten Protesttag. Auch viele S-Bahner werden darunter sein, doch Auswirkungen auf den Verkehr wird das noch nicht haben. »Die Kollegen kommen in ihrer Freizeit oder haben Urlaub«, so Berlins GDL-Chef Frank Nachtigall.

Aber ab morgen müssen sich auch die durch diverse Notfahrpläne gebeutelten Fahrgäste der S-Bahn auf Warnstreiks einstellen. Wann genau sie beginnen, werde nach der Protestveranstaltung bekanntgegeben, hieß es aus der GDL-Spitze. Widersprochen wurde Meldungen, wonach die Aktionen aus Rücksicht auf die Ski-WM in Garmisch-Partenkirchen auf die nächste Woche verschoben seien.

Dass die Gewerkschaft Rücksicht auf die ohnehin angespannte Situation bei der S-Bahn nehmen wird, wie es Senat und der Fahrgastverband IGEB fordern, ist aber nicht zu erwarten. Nachtigall verspricht zwar, zu überlegen, ob ein Streik bei der S-Bahn sinnvoll ist. »Aber wofür wir jetzt kämpfen, nämlich einen einheitlichen Branchentarifvertrag für alle Lokführer, egal ob sie bei der Deutschen Bahn oder den Privatbahnen arbeiten, betrifft gerade unsere Kollegen bei der S-Bahn«, so der Berliner Gewerkschaftschef. Gemeint ist damit die hohe Wahrscheinlichkeit, dass ein Teilnetz der S-Bahn ausgeschrieben und ab 2017 privatisiert wird. »Unsere Kollegen wollen dann nicht die sein, die die Zeche zahlen müssen.« Der Bundesgerichtshof hatte vergangene Woche in einem Urteil festgestellt, dass Nahverkehrsleistungen europaweit ausgeschrieben werden müssen und Direktvergaben etwa an die Deutsche Bahn nicht mehr möglich sind.

»Wir werden den Wettbewerb nicht verhindern können«, sagt Nachtigall, aber er dürfe nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden. Diese müssten vom neuen Betreiber übernommen und zum selben Gehalt beschäftigt werden. Bisher sei das oft nicht der Fall gewesen, da habe der Betreiber seine Lokführer neu ausgebildet, manchmal noch mit Fördergeldern des Jobcenters, und dann mit 30 Prozent geringerem Gehalt als bei der Bahn eingestellt. »Das wollen wir mit dem Flächentarifvertrag verhindern.«

Nachtigall hofft auf das Verständnis der Fahrgäste. »Ein Streik passt eigentlich nie. Wenn die Berliner aber die Hintergründe kennen, werden sie uns verstehen.« Das war schon einmal so, als die Lokführer 2007 auch die S-Bahn lahmlegten und trotzdem die Berliner erstaunlich gelassen blieben. Damals hatte die Gewerkschaft die Streiks rechtzeitig angekündigt, damit sich die Fahräste darauf einstellen konnten. Ob sie sich wenigstens darauf wieder verlassen könnten, wollte Nachtigall nicht sagen. Dies sei eine strategische Frage.

Beim Streik 2007 hatte die S-Bahn noch eine Art Notfahrplan ermöglicht. So schlimm ist es jetzt schon. Viele Möglichkeiten, auf einen Ausstand zu reagieren, gibt es nicht. »Wir werden versuchen, unsere Kunden schnell über mögliche Alternativen zu informieren«, so ein Sprecher.

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