Keine russische Mafia, aber zahllose Blüten und Drogen

Bericht über Organisierte Kriminalität 2001 vorgelegt

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.
Als beunruhigend wertete Innensenator Ehrhart Körting (SPD) gestern eine »gewisse Konstanz« der Organisierten Kriminalität in Berlin »auf hohem Stand«. Das sei auf die »kriminalgeografische Lage als Schnittpunkt zwischen West- und Osteuropa zurückzuführen«. Diese Form des Verbrechens bewege sich »in nicht zu duldenden, aber überschaubaren Grenzen«, sagte Körting bei der Vorstellung des »Lagebildes« 2001 von Polizei und Justiz zu diesem Thema. Erfreulich nannte Senator Körting, dass sich alle Befürchtungen, die Hauptstadt könne mit Blick auf die Nachfolgestaaten der Sowjetunion eine Zentrale des Verbrechens werden, »bisher nicht bestätigt« hätten. Auch gebe es keine Struktur der russischen Mafia in Berlin. Keine Rede könne davon sein, dass die Stadt ein »Chicago des Ostens« sei. Die Berliner Polizei habe auch angesichts eines Rückganges der Ermittlungskomplexe von 133 im Jahr 2000 auf 120 im Jahr 2001 die Organisierte Krimininalität »im Griff«. In Höhe von 2,6 Millionen Mark wurden Vermögenswerte sichergestellt. »Hervorragende Arbeit« bescheinigte dabei Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) den Strafverfolgungsbehörden. Insgesamt sei in 329 Verfahren Anklage erhoben worden, in 47 Fällen wurden Strafbefehlsanträge gestellt, 260 Mal erging ein Urteil. Die Gerichte agierten keinesfalls »zu lasch«, sie nutzten zumeist den Strafrahmen aus. So wurden nach einem vier Jahre dauernden Verfahren gegen 16 Mitglieder der vietnamesischen Ngoc-Thien-Bande wegen mehrfachen Mordes mehrere Angeklagte aus dem Umfeld des illegalen Zigarettenhandels zu lebenslanger Haftstrafe verurteilt. Die Justizsenatorin kündigte an, in den Doppel-Etat zusätzlich eingestellte 4 Millionen Euro auf die Modernisierung der Kriminalgerichte und der Staatsanwaltschaft zu konzentrieren. Der Innensenator beabsichtigt, mehr Geld in Telefon- und andere Überwachungsanlagen zu stecken. Die »technische Aufrüstung der Täterseite« dauere an, begründete er. Abgehört würde der Polizeifunk mit Funkgeräten und Scannern. Ehrhart Körting kündigte für die nächsten Jahre die 40 Millionen Euro teure Einführung eines neuen Funksystems für die Polizei an. Wie der Bericht auflistet, stammen die 654 Tatverdächtigen aus insgesamt 36 Staaten, mit 322 stellten Deutsche knapp die Hälfte. Die weiteren Verdächtigen stammen überwiegend aus der Türkei (45), Litauen (37), Russland (36), Polen (30) und der Ukraine (22). Bei der Eigentumskriminalität, die mit 25 Prozent den Löwenanteil an den kriminellen Aktivitäten hatte, wurden vor allem deutsche, litauische, polnische, türkische, ukrainische, jugoslawische und russische Bürger festgestellt. Ihnen ging es vor allem um Diebstahl und Verschiebung von Kraftfahrzeugen nach Russland und in weitere osteuropäische Staaten, aber auch nach Italien und Portugal. Als bevorzugten Schmuggelweg für in Deutschland gestohlene Fahrzeuge machten die Behörden eine Route über die neue Brücke zwischen Dänemark und Schweden, weiter über Finnland nach Russland aus. Hier rühmen die Banden eine »geringe Kontrolldichte«. Erwähnt wird der Fall eines litauischen Bandenmitglieds, das »über direkte Verbindungen in litauische Polizeikreise verfügt« und »Abfragen aus dortigen Polizei- und Justizsystemen erfolgreich veranlassen« könne. Hauptsächlich in Belgien und Spanien verzeichnet man zur Zeit offenbar einen besonderen Bedarf an hochwertigen Baumaschinen, deren bandenmäßiger Diebstahl 2001 in Berlin und dessen Umland deutlich zunahm. Fünf Bandenmitglieder wurden in Berlin festgenommen und Anklagen erhoben. Verwiesen wird in dem Bericht weiterhin auf die Rotlichtkriminalität, die von deutschen und osteuropäischen Tätergruppen dominiert werde. Gewaltkriminalität war mehrheitlich nicht-deutschen Straftätern zuzurechnen, wobei Russen, Polen, Litauer, Türken, Usbeken, Libanesen, Moldawier und Letten dominierten. Hier ist insbesondere die Rede von Erpressung, dem Eintreiben von Geld mit Gewalt sowie Raub. Besonders aktiv waren die Geldfälscher, bei »Blüten« wurde 2001 ein »drastischer Anstieg« mit der Einführung des Euro in Verbindung gebracht. Der Rekord im Bereich Rauschgifthandel belief sich auf eine Tonne Kokain, sie b...

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