Tragödie in Taranto
Schließung einer Giftschleuder treibt Arbeiter auf die Straße
Die Maßnahme gefährdet rund 5000 Arbeitsplätze in der Fabrik, die zum italienischen RIVA-Konzern gehört, der auch zwei Stahlwerke in Brandenburg betreibt. Sofort nach Bekanntwerden gingen in Taranto etwa 8000 Menschen auf die Straße. Auch am Wochenende blockierten sie alle Zufahrtwege in die Stadt in der Region Apulien. Die Gewerkschaften riefen einen unbefristeten Streik aus. Mauro Liuzzi von der Metallgewerkschaft UILM erklärte: »Es geht nicht an, dass die Fehler von einigen jetzt auf allen lasten. Hierher kommen die Arbeiter jeden Tag, um ihre Familien zu ernähren. Wir fordern unser Recht auf Arbeit, das natürlich mit dem Recht auf Gesundheit und eine saubere Umwelt verknüpft werden muss.« Kritik kam zudem vom italienischen Industrieverband.
Verschiedene Lokalpolitiker und auch Minister forderten die Justizbehörde auf, die Maßnahme zurückzuziehen oder zumindest auszusetzen, bis man eine Übergangslösung gefunden hat. Dies veranlasste Oberstaatsanwalt Giuseppe Vignola dazu, an die demokratische Gewaltenteilung zu erinnern und sich gegen jegliche Einmischung durch die Politik zu verwahren. »Wir hatten keine andere Möglichkeit«, erklärte er und verwies auf die Arbeit von Sachverständigen, die zweifelsfrei festgestellt hatten, dass ILVA die öffentliche Gesundheit gefährdet und vor allem nachts giftige Gase durch die Essen schleudert.
Der Ministerpräsident der Region Apulien, Nichi Vendola, von der Partei SEL (Linke, Ökologie, Freiheit), äußerte in einem Interview Respekt für die Staatsanwälte wie auch für die Arbeiter, die jetzt auf die Straße gehen. Er sprach vom Ende einer Ära, in der die Gesundheit der Menschen und der Umweltschutz gegenüber dem Profit nur eine untergeordnete Bedeutung hatten. Jetzt müsse man »ein neues Gleichgewicht finden, da aus einem Krieg zwischen Arbeit und Umwelt alle als Verlierer hervorgehen«.
Die Werksleitung und die Gewerkschaften wiesen darauf hin, dass in den letzten zehn Jahren bereits viel für den Umweltschutz getan und fast eine Milliarde Euro in diesen Bereich investiert worden sei. So sei der Dioxin-Ausstoß deutlich reduziert worden.
Doch dies ist offensichtlich nicht ausreichend. Die Einwohner von Taranto und die ILVA-Belegschaft müssen heute wie in einer griechischen Tragödie zwischen zwei Übeln wählen - Arbeitslosigkeit und Armut oder Krankheit und Tod.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!