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Eine Grundposition der Linken

Halina Wawzyniak antwortet auf Ralf Krämers Änderungsvorschlag zur Mindestsicherung

  • Lesedauer: 4 Min.

Bis Juni 2013 soll das Wahlprogramm der Linkspartei stehen – nach breiter Diskussion. Dieser wollen wir hier auf neues-deutschland.de einen Raum eröffnen, den »eine breite Beteiligung«, wie es die Linkspartei zu ihrem Anspruch erklärt hat, dann auch braucht. Ralf Krämer von der Sozialistischen Linken hat die Debatte mit »kritischen Bemerkungen« zum Entwurf des Wahlprogramms eröffnet – und mit einem konkreten Änderungsvorschlag zur Forderung nach einer Mindestsicherung. Darauf antwortet nun die Berliner Bundestagsabgeordnete Halina Wawzyniak, Mitglied im Vorstand der Linken. Ihr Text erschien zuerst hier.

Mindestsicherung im Wahlprogramm und ein Debattenbeitrag dazu / Von Halina Wawzyniak

Über einen Twitter-Eintrag des »neuen deutschland« stieß ich auf den Artikel von Ralf Krämer zum Wahlprogrammentwurf. Dort wiederum sprang mir der Punkt 2 ins Auge. Dort heißt es: »Die im Entwurf Seite 17 formulierte Forderung für eine Mindestsicherung bei Erwerbslosigkeit in Höhe von mindestens 1050 Euro monatlich ist nicht zielführend und ungerecht, ihre Umsetzung würde die lohndrückende Kombilohnwirkung des Arbeitslosengeldes II stark erweitern und wäre enorm teuer. Die Forderung ist unrealistisch, nützt niemandem und schadet der LINKEN.« Gleichzeitig wird auf einen konkreten Änderungsantrag verwiesen. Und der hat es dann in sich. Er hat es so in sich, dass mir ein wenig die Spucke wegblieb.

»Es gibt keine von der persönlichen Bedarfslage unabhängige pauschale Einkommenshöhe, die individuelle Armut verhindert. Solche Pauschalisierungen führen zudem zu gravierenden Ungerechtigkeiten.« Mit einem Satz stellt Ralf Krämer damit eine Grundposition der LINKEN in Frage, nämlich das es eines soziokulturelles Existenzminimum für alle Menschen bedarf. Ein soziokulturelles Existenzminimum welches nicht nur zum Überleben (Essen, Trinken, Schlafen) sondern auch zum Leben und damit der Teilhabe am kulturellen, gesellschaftlichen Leben ermöglicht. Denn wenn es »keine von der persönliche Bedarfslage unabhängige pauschale Einkommenshöhe, die individuelle Armut verhindert« gibt, dann kann ja ruhig die Verwaltung oder der Staat festlegen, was »jeder persönlichen Bedarfslage« angemessen ist um individuelle Armut zu verhindern. Dann bekommt halt der/die in der Großstadt mehr Geld als der/die auf dem Dorf, Asylsuchende und Geflüchtete weniger als Menschen mit Deutscher Staatsbürgerschaft und am besten alle gleich Warengutscheine.

Nein. Soziokulturelles Existenzminimum meint eben gerade, dass es einen Betrag gibt, der »unabhängig von der persönlichen Bedarfslage« jeder und jedem zusteht, weil es das Minimum dessen ist, was zur Teilhabe an der Gesellschaft benötigt wird.

Doch Ralf Krämer argumentiert weiter: »1050 Euro sind sicherlich nicht viel Geld zum Leben, aber dennoch müssen solche Forderungen vor dem Hintergrund der sozialen Realitäten und Einkommensverhältnisse von Millionen Beschäftigten betrachtet werden. Eine solche Forderung erscheint den allermeisten Menschen als überzogen und ungerecht gegenüber denjenigen, die bei oft ebenfalls niedrigen Einkommen erwerbsarbeiten und Steuern zahlen müssen.« Eine astreine neoliberale Argumentation! Die sozialen Realitäten sind eben nicht nur niedrige Einkommen (deshalb im übrigen die Forderung zum Mindestlohn), sondern die Realitäten sind eben auch Einkommen in Millionen und Milliardenhöhe und gerade eine immer wieder kritisierte ungerechte Steuerpolitik. Doch statt dies zu thematisieren werden hier Erwerbstätige gegen Erwerbslose ausgespielt. Solidarität sieht anders aus.

Und zum Schluss schreibt Ralf Krämer: »Jedem einigermaßen realistisch denkenden Menschen ist klar, dass eine Mindestsicherung in dieser Höhe nicht kommen wird.« Wenn das so ist, dann kann ich Ralf Krämer nur zurufen: »Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche.«

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