Grüne Spiele in der boomenden Metropole

Trotz Fukushima wirbt Tokio um die Olympia-Ausrichtung 2020 mit Sicherheit und Umweltbewusstsein

  • Felix Lill, Tokio
  • Lesedauer: 3 Min.
Tokio geht als leichter Favorit in die IOC-Sitzung am Sonnabend, wenn über das Austragungsrecht der Olympischen Sommerspiele 2020 entschieden wird. Vor allem aber die prekäre Lage in Fukushima wirft Schatten auf die Bewerbung.

Tsunekazu Takeda sah sich genötigt, einzuschreiten. »Sie könnten die Berichte über die Situation des Atomkraftwerks in Fukushima gesehen haben«, schrieb der Chef des Tokioter Bewerbungsteams vergangene Woche in einem Brief an das Internationale Olympische Komitee (IOC). »Lassen Sie mich erneut bestätigen, dass Tokio weiterhin unbeeinflusst ist. (…) Das Leben hier, für alle 35 Millionen Einwohner, ist völlig normal und sicher und wir erwarten hierin auch keine Veränderung.«

Anfang August hatte Japans Regierung angekündigt, schnellstmöglich ins Krisenmanagement um die seit März 2011 havarierten Reaktoren einzusteigen. Dort gelangen täglich rund 300 Tonnen radioaktiv verseuchtes Wasser in den Pazifik, auf der Kraftwerksanlage wurden teilweise tödliche Strahlenwerte gemessen. Diese Woche wurde nun ein Notfallbudget von umgerechnet 360 Millionen Euro bereitgestellt. Für Tokios Versuch, die Olympischen Sommerspiele 2020 zu veranstalten, können diese Nachrichten nicht gut sein - Fukushima liegt rund 200 Kilometer nördlich der Hauptstadt. Und heute entscheidet das IOC auf seiner 125. Session in Buenos Aires, welche Stadt das Austragungsrecht erhält: Istanbul, Madrid oder Tokio.

Bisher lagen die Chancen der japanischen Hauptstadt gut. Bei Buchmachern gilt Tokio nach wie vor als Favorit. In Japan selbst drückt eine überwältigende Mehrheit die Daumen. Vor den Olympischen Spielen von London im vergangenen Jahr hatte noch weniger als die Hälfte der Einwohner die Idee unterstützt, dass die Spiele 2020 in Japan stattfinden sollen. Nach guten Erfolgen der japanischen Athleten in London kippte die Stimmung. Im Frühjahr lag die Unterstützung der Bevölkerung bei 70 Prozent. Die jüngste Umfrage ergab dieser Tage sogar einen Zustimmungswert von 92 Prozent.

Tokios Bewerbung hat viele starke Punkte. Ein Großteil der nötigen Infrastruktur ist bereits vorhanden, die Finanzierung aller noch folgenden Anstrengungen soll gesichert sein. Zudem sollen »Tokyo 2020« die umweltschonendsten Spiele der Geschichte werden. Eine Art, auf die dies erreicht werden soll, seien die geringen Entfernungen zwischen den Sportstätten. 85 Prozent der Wettkämpfe würden in der Innenstadt stattfinden, innerhalb eines Radius von acht Kilometern. Lästige größere Entfernungen, wie es teilweise bei den Londoner Spielen der Fall war, könnten so vermieden werden. Und über die Fähigkeit Tokios, die Spiele organisatorisch zu stemmen, sind auch beim IOC nie Zweifel aufgekommen.

Das ist auch deshalb so, weil sich die japanische Hauptstadt als boomende Metropole anpreist, die gleichzeitig sicherer sei als jeder andere große Ballungsraum. »Tokio ist eine der sichersten Städte der Welt«, hat auch Tsunekazu Takeda wiederholt gesagt. Allerdings müssen er und seine Kollegen vom Bewerbungsteam nun um dieses Image kämpfen. Es ist ungewiss, wie sicher Japan derzeit angesichts der sich offenbar regelmäßig verschlimmernden Situation in Fukushima wirklich ist.

Dies ist aber nicht das einzige Problem, das die Bewerbung Tokios belastet. Seit längerem führt Japan Territorialkonflikte, insbesondere mit China, Südkorea und Taiwan. Die ersten beiden dieser Länder sind im IOC mit mehr als einem Sitz vertreten. Ob chinesische und südkoreanische Funktionäre ihre Stimme nun Tokio geben, gilt zumindest als ungewiss. Falls die Abstimmung knapp wird, was bisher zu erwarten ist, könnten den Japanern dann ein paar wichtige Unterstützer in Ostasien fehlen.

Und zuletzt muss sich Tokio noch auf einer ganz anderen Ebene Sorgen machen. Die kaiserliche Prinzessin Hisako hat angekündigt, die IOC-Sitzung in Buenos Aires besuchen zu wollen. Ein Offizieller des kaiserlichen Hofamts kritisierte diese Entscheidung, weil sie bei anderen Nationen als ungewünschte Politisierung der Olympiabewerbung betrachtet werden könnte. Sofort schaltete sich ein hochrangiger Politiker ein, um das Bild zu korrigieren. Yoshihide Suga, der oberste Kabinettssekretär der Regierung, betonte, dass Prinzessin Hisako ja bloß in ihrer Rolle als Ehrenpräsidentin des japanischen Fußballverbands anreise. Doch auch hier muss Tokios Bewerbungskomitee hoffen, dass die Anwesenden anderer Nationen mit dessen Lesart übereinstimmt.

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