Friedrich tritt zurück

Bericht: Merkel drängte den Agrarminister wegen des Falls Edathy zum Abgang / Erklärung Merkels am Nachmittag / Staatsanwalt fassungslos über Indiskretion

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Bundesagrarminister Hans-Peter Friedrich (CSU) ist nach einem möglichen Geheimnisverrat im Fall Sebastian Edathy zurückgetreten. Zunächst hatte er am Freitagvormittag noch erklärt, er wolle sein Amt im Fall von Ermittlungen der Justiz gegen ihn zur Verfügung stellen. Er sagte am Donnerstagnachmittag in einer sehr kurzen Erklärung, er sei weiterhin der Auffassung, dass er rechtlich und politisch richtig gehandelt habe. Allerdings sei der Druck auf ihn in den letzten Stunden zu groß geworden, um das Amt als Agrarminister noch weiter auszufüllen.

Wie die »Bild«-Zeitung berichtet, habe sich Friedrich dem Druck von Bundeskanzlerin Angela Merkel gebeugt. Die Regierungschefin habe den CSU-Politiker bei einem Telefonat zur mittagszeit dazu gedrängt, die Konsequenzen aus der Affäre. Das Blatt schreibt weiter, Merkel habe damit von ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht - was freilich auch die derzeit für die Kanzlerin günstigste Lesart ist. Merkel will sich um 17.30 Uhr zu den Vorgängen erklären.

Als mögliche Nachfolgerin von Friedrich gilt die Verkehrsstaatssekretärin Dorothee Bär (CSU). Friedrich hatte im Oktober noch als Innenminister SPD-Chef Sigmar Gabriel darüber informiert, dass der Name des Sozialdemokraten Edathy bei internationalen Ermittlungen aufgetaucht sei.

Friedrich hatte bis zuletzt die Weitergabe der Information über die Ermittlungen gegen Edathy an Gabriel verteidigt. »Ich war davon überzeugt, dass ich politisch wie rechtlich richtig gehandelt habe«, betonte er in einer Mitteilung. »Sollte die Staatsanwaltschaft zu anderen Ergebnissen kommen und ein Ermittlungsverfahren aufnehmen, werde ich mein Amt zur Verfügung stellen.« Linke, Grüne und FDP hatten Friedrichs Rücktritt gefordert.

In dem Verfahren gegen den SPD-Politiker Edathy geht es laut Staatsanwaltschaft Hannover um Vorwürfe im Grenzbereich zur Kinderpornografie. Behördenleiter Jörg Fröhlich zeigte sich erschüttert darüber, dass Teile der Ermittlungsakte trotz Geheimhaltung öffentlich bekannt wurden: »Es macht mich fassungslos.«

Die Staatsanwaltschaft Hannover nahm am Freitag erstmals ausführlich zu den Ermittlungen gegen Edathy Stellung. Der damalige Bundestagsabgeordnete habe aus Kanada Videos und Fotosets bestellt, zudem gebe es zwei Downloads. »Das Material, um das es geht, sind Bilder von unbekleideten männlichen Jungen im Alter zwischen 9 und 13, eventuell auch 14 Jahren«, sagte Fröhlich. »Die Frage, ob es sich um Kinderpornos handelt, ist eine schwierige Bewertungsfrage.«

Edathy rechnete offenbar schon seit November mit einem Verfahren. Damals habe ein Anwalt in seinem Auftrag bei den Staatsanwaltschaften Berlin und Hannover und beim Landeskriminalamt Hannover nachgefragt, ob es ein Verfahren gegen Edathy im Zusammenhang mit Kinderpornografie gebe, teilte Fröhlich mit.

Wie Edathy davon erfuhr, ist unklar. Die Ermittler seien »hoffnungslos in der Hinterhand« gewesen. Das Verfahren stehe trotz der derzeit geringen Zahl an möglichen Beweisen nicht vor dem Ende. Fröhlich: »Es gibt weitere Ermittlungsansätze, über die ich Ihnen zurzeit nichts sagen kann.« Agenturen/nd

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