Krim-Krise bei Rot-Rot-Grün: die Kommentare

SPD, Linkspartei und Grüne streiten heftig über Putin, Nato und Ukraine. Kleine Übersicht über den Stand der veröffentlichten Meinung

  • Lesedauer: 7 Min.

Im «Freitag» hat sich Michael Jäger die rot-rot-grüne Krimkrise vorgenommen und dabei vor allem die Grünen:

Göring-Eckardt kommt aus der DDR: Dort wie im ganzen früheren Osteuropa gibt es Mehrheiten, die ein Vierteljahrhundert nach dem Ende des Kalten Krieges noch längst nicht vergessen haben, wie ihnen die sowjetische Hegemonie einst missfiel. Zudem haben Anhänger und Anführer früherer maoistischer Gruppierungen den Westteil der grünen Partei geprägt. Auch der westdeutsche Maoismus der 1970er Jahre ist eine Erscheinungsform des Kalten Krieges. Statt gegen die blutige chinesische Kulturrevolution sprach er sich aus kommunistischer Sicht gegen die Sowjetunion, das damalige Russland aus. Die derzeitigen außen- und innenpolitischen Konflikte zeigen, dass der Kalte Krieg noch nicht zu Ende ist, wie man lange geglaubt hat. Die Mentalitäten sind noch da und Geschehnisse, von denen sie gestützt werden, kehren wieder. Wenn die Grünen sich auf die Position ihrer Fraktionsvorsitzenden einigen, wird Rot-Rot-Grün sehr unwahrscheinlich. Dann hätte ein schwarz-grünes Bündnis eine feste, ja existenzielle Grundlage. mehr hier

Pascal Beucker schreibt in der «jungle world», für eine künftige rot-rot-grüne Koalition spreche derzeit wenig:

Es gibt kein links-alternativ-sozialdemokratisches Lager, das sich nur deswegen nicht machtpolitisch realisiert, weil auf der einen Seite angeblich skrupellose Parteiführungen von SPD und Grünen die Prinzipien ihrer Parteien verraten und auf der anderen Seite die Linkspartei zu sektiererisch agieren würde. Trotz etlicher Ähnlichkeiten in den jeweiligen Grundsatz- und den Wahlprogrammen, die eine politische Nähe suggerieren, besteht vielmehr eine elementare Differenz, die der divergierende Umgang mit den Umbrüchen in der Ukraine offenbart hat: Es gibt keine gemeinsame Gesellschaftskonzeption und ideologische Verortung. SPD und Grüne sehen sich als Teil jener «westlichen Wertegemeinschaft», zu der die Linkspartei in Opposition steht. mehr hier

Im «Tagesspiegel» kommentiert Matthias Meisner die Lage:

Optimisten in den drei Parteien, die beharrlich an die Option glauben, verweisen darauf, dass bis zur nächsten Bundestagswahl 2017 noch 1.300 Tage Zeit bleiben. Sie blenden aus, dass im Moment maßgebliche Kräfte das Bündnis mit der Kurzformel R2G sehr erfolgreich und wohl auch nachhaltig torpedieren. Und die sitzen in allen drei Parteien. Die Lautsprecher haben mit ihrer Anti-Linksbündnis-Propaganda die Meinungsführerschaft übernommen und die moderaten Kräfte entmachtet. mehr hier

In der «Berliner Zeitung» macht sich Markus Decker darüber Gedanken, was die Linke verspielt:

Mal abgesehen davon, dass die Angriffe der linken Linken auf Union, SPD und Grüne beleidigend sind, so lassen sie auch tief blicken. Sie zeigen nicht bloß, dass Wagenknecht den einstigen Bundesgenossen im Osten geistig näher steht als dem demokratischen Westen. Sie zeigen überdies einen Mangel an Verantwortungsbewusstsein, weil innenpolitische Geländegewinne wichtiger scheinen als eine friedliche Lösung der Krim-Krise. mehr hier

Im Mannheimer Morgen heißt es:

Wie die Linken den Kreml-Chef verteidigen, erinnert an alte Ostblock-Solidarität. Die EU und vor allem die NATO sehen sie ja ohnehin äußerst kritisch. Nun gibt selbst Realo-Galionsfigur Gysi den Putin-Versteher. Das sollte die SPD beunruhigen. Die Hoffnung, mit den Pragmatikern um den Fraktionsvorsitzenden in nicht allzu ferner Zukunft koalieren zu können, scheint trügerisch zu sein. Noch trennen beide Parteien Welten. Für ein Bündnis nach der nächsten Bundestagswahl müsste die Linke ihr Programm stark entideologisieren. Fraglich ist, ob sie das kann, und ob sie es will.

Allein die Linkspartei als Problem sieht Josef Joffe in der Zeit:

«Die unverbrüchliche Treue der Linken zu Moskau ist bizarr. Haben Wagenknecht und Freunde noch nicht gemerkt, dass die KPdSU vor 24 Jahren aufgelöst wurde? Dass Putin in der autoritären Tradition der Zaren steht? Dass Territorialraub seit einem halben Jahrhundert in Europa out ist? Die Ukraine-Krise hat plötzlich alte Gewissheiten ausgehebelt und neue Hoffnungen verdunkelt. Die SPD wird mit dieser Linkspartei kein Rot-Rot-Bündnis eingehen können.» mehr hier

Hans-Ulrich Jörges meint auf Radio eins:

Eine rot-rot-grüne Perspektive für das Jahr 2017 sei praktisch jetzt schon gescheitert. «Das wird auch nicht anders werden.» Und: Innerhalb der Linken, wozu Jörges die drei Parteien zählt, herrsche «Kalter Krieg». mehr hier

In der «Welt» meint Daniel Friedrich Sturm:

«Heute kommen einem die rot-rot-grünen Träume wie von gestern vor. Gewiss, SPD-Hinterbänkler pflegen, wie schon seit Jahren, ihre drittklassigen Gesprächszirkel. Die erste Reihe der SPD aber steht den Linken, zumal jenen »Spinnern aus dem Westen« (Sigmar Gabriel) ferner denn je. Dass die Grünen nicht zuletzt außenpolitisch mit der Union mehr verbindet als mit den Linken, blenden die rot-rot-grünen Träumer ohnehin aus. Nun erleben die Anhänger eines »linken« Bündnisses noch ein anderes Phänomen, das ihnen zu denken geben sollte: Europa- und außenpolitisch bilden die Wagenknechts dieser Welt die größte Schnittmenge mit einer Partei aus einem völlig anderen Spektrum – nämlich mit der, die sich versteht als »Alternative für Deutschland«. mehr hier

Im Boulevardblatt »B.Z.« kolumniert Michel Friedmann:

»Es ist die Stunde der Wahrheit nicht nur gegenüber Putins skandalösem Verhalten, sondern auch in der Frage, ob man mit der Linken koalieren kann. Zu Recht werden Sanktionen gegenüber Putin verhängt. Die Mindestsanktion, die SPD und Grüne gegenüber den Linken verhängen müssen, ist die, dass Gysi und Co. für zukünftige Machtträume nicht mehr infrage kommen.« mehr hier

Nico Fried schaut sich in der »Süddeutschen« die strategische Lage der Sozialdemokraten an:

»Die plötzliche Abgrenzung von der Linken zeigt, dass die Doppelstrategie (der SPD) schwer durchzuhalten sein wird, mit der Union zu regieren und gleichzeitig die Möglichkeit einer anderen Koalition vorzubereiten. In normalen Zeiten kann man über Rot-Rot-Grün in Denkfabriken debattieren, Gemeinsamkeiten erarbeiten, Unterschiede überbrücken - kurz: schwätzen. Aber in der Krise zeigt sich, dass die politische Wirklichkeit weit hinter den Wunschträumen zurückbleibt.« mehr hier

Malte Lehming nimmt sich im »Tagesspiegel« die Linkspartei vor:

»Wer auf einen Ostpolitik-Effekt spekuliert hatte – Wandel der Linken durch Annäherung der SPD –, sieht sich mit der Realität konfrontiert: kein Wandel trotz Anbiederung. Die alten Reflexe bei den Themen Nato, Russland, Völkerrecht, Amerika, Europa sitzen einfach zu tief. Rot-Rot-Grün: Das dürfte sich mit den Ereignissen vom Frühjahr 2014 für sehr lange Zeit erledigt haben.« mehr hier

In der »Tageszeitung« kommentiert Stefan Reinecke das Verhältnis zwischen Linkspartei und Grünen vor dem Hintergrund der Krim-Krise:

»Es ist kein Zufall, dass bei der Linkspartei die Fundis, bei den Grünen die Schwarz-Grün-Fraktion um Cem Özdemir Sprit in den Tank gießen. Die rechten Grünen und die linken Linken haben ein gemeinsames Ziel (und nur eins): Sie wollen 2017 kein Rot-Grün-Rot. Derzeit kann man wirklich froh sein, dass wir weder von grünen Menschenrechtsbellizisten noch von linken Besserwissern regiert werden – sondern von Pragmatikern wie Merkel und Steinmeier.« mehr hier

... wird gegebenenfalls fortgesetzt
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