Staubsauger über Stammtischen
AfD will in Sachsen den Landtag erobern
Thomas Seitz müsste sich eigentlich dreiteilen. Der Inhaber einer Autovermietung hat in Deutschneudorf im Erzgebirge für die »Alternative für Deutschland« (AfD) als Gemeinderat kandidiert - einem Ort, der zuletzt 100 Prozent FDP gewählt hatte. Es scheint, als habe man dort auf einen wie Seitz nur gewartet: Aus dem Stand holte er 20,8 Prozent, was für drei der zwölf Sitze im Rat reichen würde. Nur hatte die AfD außer Seitz keine weiteren Bewerber aufgestellt.
Ähnliche Erfolge verbuchte die Partei in Sachsen am Sonntag fast flächendeckend. Zwar wäre sie im sorbischen Dorf Crostwitz an der Fünfprozenthürde gescheitert; für die Kreistage reichte es aber überall. Vor allem entlang der Grenzen zu Polen und Tschechien zieht sie mit zweistelligen Ergebnissen ein. Das »magerste« Resultat sind 8,1 Prozent in Nordsachsen. Insgesamt lag die AfD im Freistaat, der sich schon bei der Bundestagswahl als eine Hochburg erwies, nun gar bei 10,1 Prozent. Landeschefin Frauke Petry spricht von einem »Traumergebnis«; der Einzug in den Landtag am 31. August scheint Formsache.
Wahrscheinlich ist er nicht zuletzt, weil es der 38-jährigen Unternehmerin rechtzeitig gelang, den Landesverband zu konsolidieren - oder zu »säubern«, wie Kritiker sagen. Während in Sachsen-Anhalt etliche Vorstände wegen Halbweltvorwürfen zurücktraten und die AfD Thüringen über fundamentalchristliche Positionen streitet, betreiben die Sachsen routiniert Wahlkampf.
Was nicht heißen soll, dass es nicht Probleme und Kontroversen zur Genüge gegeben hätte. Petry, eloquentes Aushängeschild für die AfD auch auf Bundesebene, drohte Kratzer zu bekommen, als ihre Firma Insolvenz anmelden musste. Der Makel wurde indes mit Hilfe aus Süddeutschland behoben. Auch um die Mitbestimmung in der Partei und deren inhaltliche Ausrichtung tobten Kontroversen. Ganze Kreisvorstände warfen hin oder wurden ausgebootet. Ein Abtrünniger warf der Partei vor, sich als »NPD light« zu profilieren.
In der AfD weist man Vorwürfe des Rechtspopulismus erbost zurück. Allerdings gilt die Partei als eine Art Staubsauger für Stammtisch-Parolen - und bedient sich dabei nur allzu gern der Themen, mit denen auch andere Parteien am rechten Rand Ressentiments schüren; nur werden sie eben etwas eleganter verpackt. So preist man beim Thema Zuwanderung Modelle à la Schweiz und Kanada. »Wir suchen uns die qualifizierten Einwanderer raus«, sagte Vorstandsmitglied Hans Thomas Tillschneider, der an der Uni Bayreuth als Islamwissenschaftler arbeitet und den Islam als eine »uns fremde Religion« bezeichnet haben soll. Dazu passt, dass ein gutes Dutzend Ex-Politiker der islamophoben Partei »Die Freiheit« in die sächsische AfD wechselten.
Im deren programmatischem Bauchladen finden sich Familie und Bildung, aber auch ein Plädoyer für deutschsprachige Musik im Radio. Petry sagt, es laufe ihr »kalt den Rücken herunter«, wenn Kinder »Happy Birthday« statt »Alles Gute zum Geburtstag« sängen. Auch das Bekenntnis zur Braunkohle findet sich; laut Petry ist die Schädlichkeit von CO2 »noch nicht bewiesen«. So ähnlich klang bisher nur die FDP, der die AfD nun nicht nur in Deutschneudorf das Wasser abgräbt.
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