Frankreich soll nicht, will aber liefern

Präsident François Hollande hält am Vertrag über den Verkauf von Hubschrauberträgern an Russland fest

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein milliardenschweres Kriegsschiffgeschäft mit Russland bringt die Regierung in Paris in Bedrängnis ihrer EU-Partner.

Zwei Präsidenten - Nicolas Sarkozy und Wladimir Putin - einigten sich im Jahr 2010 über zwei Militärschiffe. Der damalige französische Würdenträger muss sich nicht mehr dafür verantworten. Doch für seinen Nachfolger kommt das Geschäft zur Unzeit in die Debatte. Der innenpolitisch unter Druck stehende François Hollande soll auf Drängen europäischer Regierungschefs und des US-Präsidenten auf die Auslieferung zweier Hubschrauberträger der Klasse Mistral an Russland verzichten.

Den Kaufpreis von 1,2 Milliarden Euro hat Moskau längst bezahlt. Der Bau des ersten Schiffes, das auf den Namen »Wladiwostok« getauft wurde, geht auf der Werft von Saint-Nazaire dem Ende entgegen. Es soll im Oktober ausgeliefert werden. Das zweite, das man - noch vor dem Anschluss der Krim an Russland - »Sewastopol« getauft hatte, wird Ende 2015 fertig. Trotz Kritik will Paris an der Lieferung zumindest des ersten Schiffes festhalten. »Die Russen haben bezahlt, wir müssten mehr als 1,1 Milliarden Euro zurückzahlen«, erklärte Präsident François Hollande am Montag vor Journalisten. Die Lieferung des zweiten Schiffes werde jedoch von der Haltung Moskaus im Konflikt um die Ukraine abhängen. »Aber im Moment sind keine Sanktionen beschlossen, die uns zwingen würden, auf die Lieferung zu verzichten«, sagte Hollande.

Zur Zeit trainieren 400 russische Marineangehörige - zwei komplette Besatzungen - in Saint-Nazaire die Bedienung des hochmodernen Schiffes. Es ist besonders für Kommandoeinsätze geeignet und kann dafür 16 Hubschrauber, 13 Panzer, etwa 100 Fahrzeuge und 450 Soldaten an Bord nehmen. Mit seiner umfangreichen Aufklärungs- und Kommunikationselektronik eignet es sich besonders als Kommandozentrale für Einsätze im Ausland. Außerdem kann an Bord ein Lazarett einschließlich Operationssaal betrieben werden. Frankreich verfügt über drei derartige Schiffe, die schon bei Militäroperationen in Afrika eingesetzt wurden. Ein russischer Admiral soll am Rande der Vertragsunterzeichnung 2010 geschwärmt haben: »Wenn wir solch ein Schiff schon 2008 besessen hätten, dann hätten wir den Krieg gegen Georgien schon nach 40 Minuten statt nach 26 Stunden gewonnen.«

Zu Hause weiß Hollande in dieser Frage fast alle politischen Parteien hinter sich. Die Linksfront und die Gewerkschaften halten sich bedeckt, weil sie vor allem um die Arbeitsplätze auf der Werft von Saint-Nazaire fürchten. Selbst die rechte Sammlungs- und frühere Regierungspartei UMP, die sonst zu jedem Thema Kritik an der Regierung anbringt, hält sich zurück. Der ehemalige rechte Minister Xavier Bertrand meinte sogar in einem Interview: »Nur weil die Amerikaner ›Spring‹ rufen, sollten wir nicht springen.«

Tatsächlich kommt Kritik an Frankreichs Mistral-Geschäft fast ausschließlich aus dem Ausland, vor allem aus den USA. »Wir haben zahlreiche Beweise, dass Russland das Völkerrecht verletzt«, erklärte erst Anfang dieser Woche der Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest. »Das ist wahrlich nicht der Moment, um Russland hochmoderne Waffentechnik zu liefern.« Bereits im Juni hatte US-Präsident Barack Obama öffentlich seine »Besorgnis« über das Geschäft geäußert. »Russland Waffensysteme zu liefern, ist eine Position, die sich schwerlich verteidigen lässt«, meint der schwedische Außenminister Carl Bildt. Und die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite warnt vor einer »Mistralisierung der europäischen Politik« und mahnte, Europa müsse »dem Terrorismus geschlossen entgegentreten«.

Die virulentesten Töne kommen aus London, wo Premier David Cameron erklärte: »Es ist undenkbar, einen Liefervertrag auszuführen, wie es die Franzosen tun. Man kann nicht mit Russland weiter Geschäfte betreiben, als sei nichts geschehen.« Darauf reagierte der Vorsitzende der Sozialistischen Partei (PS), Jean-Christophe Cambadelis: »Das ist eine falsche, von Heuchlern geführte Debatte. Wenn man bedenkt, wie viele russische Oligarchen in der Londoner City ungestört ihre Geschäfte betreiben, sollte David Cameron zuerst in seinem eigenen Hinterhof kehren.«

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!