Gaza-Waffenruhe, die achte!
Palästinensische und israelische Unterhändler in Kairo einigten sich
Es ist mittlerweile ein gewohntes Bild: Zweimal am Tag landet auf dem Helipad gegenüber der Knesset ein Hubschrauber. An Bord stets: Die israelische Delegation bei den Waffenstillstandsverhandlungen in Kairo. Man telefoniere so wenig wie möglich, heißt es, denn Telefone könnten abgehört werden, und das ist derzeit ein heißes Eisen. Israels Geheimdienste haben US-Außenminister John Kerry abgehört; die Amerikaner haben in die Gespräche von Regierungschef Benjamin Netanjahu hineingelauscht. Doch man lässt sich nicht gerne in die Karten schauen, zumal das Verhältnis zu den USA am Donnerstag einen neuen Tiefpunkt erreichte. Dem »Wall Street Journal« zufolge soll das Weiße Haus mittlerweile Waffenlieferungen an Israel blockieren; Israels Regierung soll versuchen, dies zu umgehen, indem man sich direkt ans Pentagon wendet. Deshalb pendelt die Delegation derzeit, um der Politik den Stand der Dinge zu berichten und sich neue Instruktionen abzuholen.
Noch komplizierter sieht es auf der palästinensischen Seite aus. Die Verhandlungsdelegation, die aus einem Vertreter der Fatah-Fraktion von Präsident Mahmud Abbas, der offiziell die Verhandlungen führt, sowie Abgesandten von Hamas und Islamischem Dschihad besteht, muss sich in ihrem Vorgehen mit der Regierung in Ramallah, den politischen und militärischen Führungen der Hamas in Gaza und dem Hamas-Politbüro in Katar abstimmen. Ein langwieriges Prozedere, dass nun dazu geführt hat, dass der ursprünglich auf drei Tage angelegte Waffenstillstand kurz vor seinem Ende um weitere fünf Tage verlängert wurde. Für die Statistik: Es ist die achte Waffenruhe.
Kurz zuvor hatte es in der Nacht zum Donnerstag so ausgesehen, als würde es zu einem neuen Gewaltausbruch kommen. Es wurden Raketen abgefeuert; Israel bombardierte Ziele im Gaza-Streifen. Doch sowohl Hamas als auch Islamischer Dschihad sagten, sie seien für die Abschüsse nicht verantwortlich; Gruppen, die nicht unter dem Einfluss der beiden Organisationen stehen, hätten geschossen.
Die Verhandlungen sind komplex, denn es geht dabei nicht allein um ein Ende des Krieges, sondern auch um die Zukunft des Gaza-Streifens. Beiden Seiten ist bewusst, dass eine Fortsetzung der Blockade in ihrer früheren Form nicht möglich ist; in den Reihen der politischen Hamas gesteht man zudem ein, dass die Zeit der Alleinherrschaft im Gaza-Streifen wohl vorbei ist, zumal die internationale Gemeinschaft weitgehend auf eine Führungsrolle von Präsident Abbas in Gaza abzielt. Sicherheitskräfte der palästinensischen Autonomiebehörde, das ist nach außen gedrungen, werden künftig die Grenzen sichern; strittig sind nur die Details.
Ein großes Problem bei diesem Konzept ist auch Sicht der internationalen Gemeinschaft, dass es Abbas an Rückhalt in der palästinensischen Bevölkerung fehlt - weshalb mittlerweile auch Israels Regierung ernsthaft in Betracht zieht, dem Bau eines Seehafens und einer Instandsetzung des weitgehend zerstörten Flughafens zuzustimmen. Beides wären nationale Symbole und damit für Abbas ein vorzeigbarer Verhandlungserfolg, der ihn stärken würde. Doch die Infrastruktur hat aus Sicht der internationalen Gemeinschaft auch logistische Relevanz: Die Verkehrsverbindungen zum Gaza-Streifen sind weder in Israel noch in Ägypten auf die großen Mengen an Gütern angelegt, die künftig in den Landstrich befördert werden müssen. 250 Lastwagen am Tag dürfen derzeit den Streifen beliefern; bei um die 600 Ladungen am Tag sind die Kapazitätsgrenzen erreicht. Benötigt werden nach Berechnungen aber für den Wiederaufbau bis zu 1800 Lieferungen am Tag.
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