Euphorie des Anfangs
Die Neuen Liberalen verabschieden sich auf ihrem Gründungsparteitag vom Neoliberalismus der FDP
Sonnenblumen und Heidekraut auf den Tischen erinnerten an Grünen-Parteitage früherer Jahre, wenn da nicht die vielen Herren mittleren Alters in schwarzen Anzügen und weißen Hemden gewesen wären. Mit einem ganzen Füllhorn von guten Vorsätzen startete die Partei »Die Neue Liberale« am Sonntag in ihren ersten Parteitag. Ins Bürgerhaus des Hamburger Stadtteils Wilhelmsburg waren rund 400 Menschen gekommen, um einen Bundesvorstand zu wählen und - Ordnung muss sein - eine Satzung zu verabschieden. Am selben Ort versammelten sich vor fünf Jahren übrigens Delegierte der Piratenpartei zum 3. Parteitag, getragen von einer Woge von Euphorie und Optimismus.
Ähnlich euphorisch klangen auch die Postulate von Mitgründer Najib Karim, ehemals Vorstandsmitglied der Hamburger FDP, während seiner Begrüßungsansprache. »Wir müssen mit dem politischen Gegner über Argumente sprechen und ihn nicht verächtlich machen«. Oder: »Wir werden uns zusammenraufen, wir werden uns streiten und einen Konsens finden - oder auch nicht.« Ein ehemaliges FDP-Mitglied erklärte: »Ich bin vor zwei Jahren aus der FDP ausgetreten und bin glücklich, hier mitarbeiten zu dürfen.« Der Zauber des Anfangs.
Man betrachte sich nicht »als Abspaltung der FDP«, verdeutliche Karim, zuletzt Europakandidat der Hamburger Freidemokraten. Die »große Mehrheit« der Gründungsmitglieder hat bisher mit Parteipolitik nichts zu tun gehabt. Stattdessen sei die frisch gegründete Partei »eine Sammlungsbewegung der liberalen Kräfte in der Republik«. Man wolle »mit allen fortschrittlichen Kräften sprechen«, es gebe »auch gute Ideen bei anderen Parteien«, erklärte er.
Allerdings: So ganz unbeleckt von parteipolitischer Arbeit war zumindest der Kern der Gründungsmitglieder nicht. So outete sich bei der Wahl des Tagungspräsidiums ein 26-Jähriger als früheres SPD-Mitglied, ein 52-Jähriger gestand ein, »noch Mitglied bei den Grünen« zu sein, die er aber demnächst verlassen müsse. »Das tue ich gerne«, versicherte er.
Ein anderer Neu-Liberaler berichtete, dass er noch Mitglied bei den Piraten sei. Als Qualifikation für die Neuen Liberalen könne er seine Politikerfahrung einbringen. Immerhin habe er »bereits Parteitage der Piraten geleitet«. Im Satzungsentwurf der neuen liberalen Partei habe er übrigens »schon ein paar Fehler entdeckt«.
Sylvia Canel, kürzlich noch Landesvorsitzende der Hamburger FDP und im Dauerstreit mit Katja Suding, Fraktionschefin der Freidemokraten in der Hamburgischen Bürgerschaft, unterlegen, verortete die Neuen Liberalen im linksliberalen Spektrum. Die neue Partei wolle die linksliberale Tradition neu beleben: »Wir brauchen eine wettbewerbsorientierte Wirtschaft, aber der gesellschaftliche Zusammenhang ist ebenso wichtig.«
Auf den Zusammenbruch der sozialistischen Staaten sei der »hemmungslose Kapitalismus« gefolgt. »Es muss eine Dritten Weg geben«, forderte Canel und erklärte sogleich: »Wir sind der Dritte Weg.« Ergänzend fügte sie hinzu: »Ja, wir sind auf dem richtigen Weg!« Von einer großen Mehrheit der Anwesenden wurden Canel und Karim zu den ersten ordentlichen Vorsitzenden der Neuen Liberalen gewählt.
Auf das Hochgefühl des Anfangs folgen bekanntlich die Mühen der Ebene. Zu jedem Parteitag gehören umfangreiche Konvolute mit Antragsmaterialien. Das ist auch bei den Neu-Liberalen nicht anders. 103 Seiten umfasst das »Antragsbuch« des ersten Parteitags. In den Anträgen finden sich Forderungen wie die nach einem »garantierten Grundeinkommen«. Die Abschottungspolitik der EU (»Festung Europa«) wird kritisiert. Unter »Grundsätze der Arbeitsmarktpolitik« heißt es schwammig, beim Arbeitslosengeld II (Hartz IV) sei darauf hinzuwirken ist, »die Integration in den Arbeitsmarkt der Anspruchsberechtigten zu erhöhen«. Allerdings soll die eigentliche inhaltliche Debatte noch in diesem Jahr auf einen gesonderten Programmparteitag gelegt werden, hieß es.
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