Bürgermeister tritt wegen Nazi-Anfeindungen zurück

Markus Nierth (CDU) setzt sich für Flüchtlingsunterkunft ein/ LINKE Niederlage für die Demokratie

  • Lesedauer: 3 Min.
Weil er sich für eine Flüchtlingsunterkunft einsetzte, wurde ein Bürgermeister in Sachsen-Anhalt von Nazis bedroht. Nun gibt er sein Amt auf. Die Linksfraktion im Landtag nannte diesen Schritt eine »schwere Niederlage für die Demokratie«.

Tröglitz. In Sachsen-Anhalt haben die massiven Proteste gegen ein geplantes Flüchtlingsheim zum Rücktritt eines Ortsbürgermeister geführt. Der ehrenamtliche Ortsvorsteher von Tröglitz im Burgenlandkreis, Markus Nierth (CDU), hatte für eine Willkommenskultur für die etwa 50 Flüchtlinge in der rund 3.000-Seelen-Kommune geworben. Dafür war er in den vergangenen Wochen von Einheimischen und Nazis stark angefeindet worden. Unter Führung des NPD-Kreisrates Steffen Thiel versammelten sich die Heimgegner in Anlehnung an die »Pegida«-Aufzüge zu wöchentlichen »Lichterspaziergängen« mit oft über 100 Teilnehmern.

Nachdem der Aufzug der Heimgegner an diesem Sonntag vor seinem Privathaus enden sollte und die Behörden zunächst keine Möglichkeiten sahen, dies zu verhindern, trat Nierth von seinem Amt zurück. »Er hat nicht vor den Braunen Angst, sondern er will seine Familie schützen«, sagte Ehefrau Susanna Nierth dem epd. Die ganze Familie sei in den vergangenen Wochen »auf unterster Schublade beschimpft und angefeindet worden«. Die Demonstranten seien allerdings kaum noch Einheimische sondern mehrheitlich »herangekarrte Neonazis und NPD-Anhänger von außerhalb«.

In dem auf Facebook veröffentlichten Rücktrittsschreiben erklärte Nierth, »hätte ich meinen Kindern, die in der letzten Zeit schon einiges ertragen mussten, zumuten sollen, dass vor ihren Kinderzimmern bewaffnete Polizisten stehen müssen, und zudem rassistische und hasserfüllte Parolen bis dorthin dringen? Dazu sind mir meine Kinder viel zu wertvoll!« Was dem Fass den Boden ausgeschlagen, sei die Erkenntnis gewesen, dass »man im Landratsamt nicht willig oder fähig ist, von vornherein mit geeigneten Argumenten solch eine Demonstration vor meinem Wohnhaus zu unterbinden«.

Von den Behörden fühlten sie sich alleingelassen, sagte Nierths Ehefrau Susanna. Erst nachdem das Ehepaar einen Anwalt einschaltete, habe das Landratsamt noch mal alle rechtlichen Schritte überprüft und mit den Veranstaltern des »Lichterspaziergangs« schließlich eine Änderung der Route abgesprochen.

Unterdessen haben die Ereignisse in der kleinen Kommune auch die Landespolitik in Magdeburg aufgeschreckt. Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) kündigte an, an dem sonntäglichen Friedensgebet der Heimbefürworter teilzunehmen. »Wir lassen uns in unserer Demokratie und Freiheit durch niemanden einschüchtern. Gemeinsam mit dem zuständigen Landrat Götz Ulrich (CDU) setzen wir für Land und Landkreis mit der Teilnahme am Friedensgebet ein Zeichen für Weltoffenheit und Toleranz«, erklärte Stahlknecht am Sonntag.

Für die Linksfraktion im Landtag Sachsen-Anhalts ist der Rücktritt des Ortsbürgermeisters eine »schwere Niederlage für die Demokratie«. Die Entsolidarisierung nicht nur gegenüber Flüchtlingen, sondern auch gegenüber denjenigen, die sich für Flüchtlinge einsetzen, trage dazu bei, unsere Gesellschaft kalt und rassistisch werden zu lassen, warnte Fraktionschef Wulf Gallert.

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