nd-aktuell.de / 11.05.2015 / Linksbündig

Gespaltene Demokratie

Nach der Bremen-Wahl wird allerorten die geringe Wahlbeteiligung beklagt. Das Problem ist ein soziales - und es ist schon länger bekannt: Fünf Lektürehinweise

Nach der Wahl in Bremen rückt die geringe Wahlbeteiligung in der Hansestadt in den Fokus der politischen Debatte. Laut der amtlichen Hochrechnung[1] gaben nur 48,9 der Berechtigten ihre Stimmen ab. Das waren so wenige wie nie zuvor in einem westdeutschen Bundesland. Der Bundesvorsitzende Bernd Riexinger hatte bereits am Wahlabend zu der schwachen Wahlbeteiligung gesagt, die »soziale Polarisierung in Bremen« sei »inzwischen auch eine demokratische Polarisierung«. Menschen in den ärmeren Stadtteilen würden immer weniger wählen gehen. Die niedrige Wahlbeteiligung sei daher »in Wirklichkeit ein soziales Problem«, über das alle Parteien nachdenken müssten. Und was sagen die Fachleute?

Die gespaltene Demokratie

Weil Angehörige einkommens- und bildungsschwacher Schichten immer weniger wählen gehen, steigt die politische Ungleichheit in Deutschland. Der Trend einer sozial gespaltenen Demokratie verfestigt sich, auch im Bundestagswahljahr 2013. Eine Studie von Thomas Petersen, Dominik Hierlemann, Robert B. Vehrkamp, Christopher Wratil, die vor allem die bisherigen Erkenntnisse der Wahlforschung bilanziert, »Mythen« wie den der »Demokratieverdrossenheit« kritisiert und die Entwicklung bis zur Bundestagswahl 2013 nachzeichnet. Hier zum Download[2]

Prekäre Wahlen

Je prekärer die Lebensverhältnisse, desto weniger Menschen gehen wählen. Die soziale Ungleichheit der Wahlbeteiligung steigt. Das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013 ist sozial nicht mehr repräsentativ. Studie von Armin Schäfer, Robert Vehrkamp, Jérémie Felix Gagné, welche die die These der sozialen Spaltung nicht nur anhand von Umfragen, sondern auch anhand einer bundesweiten Analyse der tatsächlichen Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl 2013 überprüft. Hier zum Download[3]

Europawahl 2014

Bereits für die Bundestagswahlen 2013 galt: Je prekärer die sozialen Lebensverhältnisse, desto geringer die Wahlbeteiligung. Daraus folgt, dass wachsende regionale und soziale Unterschiede zu politischer Ungleichheit führen. Noch deutlicher zeigt sich die soziale Spaltung unserer Demokratie bei der Europawahl 2014: Die im Vergleich zur Bundestagswahl deutlich geringere Wahlbeteiligung verschärft die soziale Selektivität. Das Ergebnis der Europawahl ist sozial noch weniger repräsentativ als das der Bundestagswahl. Studie von Jérémie Gagné zur Europawahl. Hier zum Download[4]

Wahlenthaltung als Klassenwahlverhalten

Horst Jahrs hat neuere Befunde aus der Wahlforschung zum Zusammenhang von Prekarisierung sozialer Fragmentierung, sozialräumlicher Klassenbildung und Wahlbeteiligung zusammengetragen. Und zwar hier[5]

Sozialstaat und Wahlbeteiligung

Die Rückkehr des Arbeiter-Klassenwahlverhaltens in Gestalt der Verweigerung von oder Gleichgültigkeit gegenüber Wahlbeteiligung drückt das Scheitern der sozialstaatlichen Grundierung von demokratischer Gleichheit aus. Text von Horst Kahrs in »Prager Frühling«[6].

Links:

  1. http://www.wahlen-bremen.de/app/ltw2015.html
  2. https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/GP_Gespaltene_Demokratie.pdf
  3. http://www.wahlbeteiligung2013.de/fileadmin/Inhalte/Studien/Wahlbeteiligung-2013-Studie.pdf
  4. https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/user_upload/EINWURF_01_2014.pdf
  5. http://www.horstkahrs.de/wp-content/uploads/2015/03/2015-03-01-Ka-Arbeitspapier-Wahlenthaltung.pdf
  6. http://www.prager-fruehling-magazin.de/de/article/1201.sozialstaat-und-wahlbeteiligung.html