Deutsche Linke freut sich über SYRIZA-Sieg

Gabi Zimmer: Humanitäre Krise in Griechenland beenden / Riexinger und Kipping: Schwache Wahlbeteiligung als Folge der demokratiefeindlichen Politik von EU und Troika / Koalition mit ANEL stößt aber auf Kritik

  • Lesedauer: 5 Min.

Update 15.00 Uhr: Kipping und Riexinger besorgt über schwache Wahlbeteiligung
Die beiden Vorsitzenden der LINKEN, Katja Kipping und Bernd Riexinger, haben am Montag Syriza und Alexis Tsipras zu ihrem «beeindruckenden Wahlerfolg» beglückwünscht. «Die Klientelpolitik der Altparteien hegte und pflegte Oligarchinnen und Oligarchen, während ihnen [Tspiras, Anmerkung der Redaktion] bei den Verhandlungen mit der Troika die Beschäftigten, die erwerbslosen Jugendlichen und die Rentnerinnen und Rentner egal waren», so Kipping und Riexinger in einer gemeinsamen Erklärung.

Sorgen bereitet den beiden LINKEN-Chefs allerdings die «extrem schwache» Wahlbeteiligung von nur knapp 57 Prozent. Dies sei ein Ergebnis der demokratiefeindlichen Politik der EU und der Troika. «Zunehmend mehr Menschen in Griechenland sehen unter den Kürzunsdiktaten kaum noch Spielräume für eigene politsche Handlunsmöglichkeiten.»

Update 13.45 Uhr: RLS-Büroleiter: Tsipras hat einzige linke Regierung in Europa verteidigt
Martin Schirdewan, Leiter des Büros der Rosa Luxemburg Stiftung in Brüssel und Athen, ist sicher, dass Alexis Tsipras nach der erfolgreichen Parlamentswahl in den nächsten Jahren «der prägende Mann der griechischen Politik sein wird». Darauf müssten sich nun alle einstellen - in Athen und Brüssel. Schirdewan sieht Tsipras durch das Votum deutlich gestärkt. «Es ist ihm gelungen, die einizge linke Regierung in Europa zu verteidigen.» Der Druck auf die Sozialdemokratie in den EU-Partner-Ländern nehme nun zu. «Wenn Tsipras gute Politik macht, können sich neue Allianzen bilden.» Für den Politikwissenschaftler heißt das, eine Politik im Interesse der griechischen Bevölkerung zu machen, also die soziale Katastrophe zu beenden und eine ökonomische Revitalisierung Griechenlands einzuleiten. Ein Schuldenschnitt würde Tsipras dabei Spielräume eröffnen.

Update 12 Uhr: Zimmer: SYRIZA lässt ich nicht einfach beseitigen
Ausführlicher fiel am Montag die Analyse der der Euroäischen Linksfraktionsvorsitzenden im EU-Parlament, Gabi Zimmer, aus. Tsipras habe sich mit Nachdruck «für die Interessen der griechischen Bevölkerungsmehrheit gegenüber ihren Gläubigern eingesetzt, die Rückzahlbedingungen für die untragbare Schuldenlast verbessert und die Ärmsten und Schwächsten in den Mittelpunkt seiner Politik gestellt», lobt die LINKEN-Poltikerin den alten und wohl neuen griechischen Ministerpräsidenten. Nach dem Wahlerfolg SYRIZAs müsse nun unmittelbar die humanitäre Krise in Griechenland bekämpft und die Wirtschaft wieder aufgebaut werden, so Zimmer. „Die konservativen Kräfte in Griechenland und der EU müssen jetzt einsehen, dass sich eine demokratisch gewählte linke Regierung nicht einfach mit Erpressung und übler Nachrede beseitigen lässt.«

Linkspartei freut sich über SYRIZA-Sieg

Berlin. Anders als zur Wahl im Januar, als landauf, landab noch bei der Linkspartei auf Wahlpartys in den erwarteten Sieg von SYRIZA gefeiert wurde, hatte es diesmal kaum Einladungen zu solchen Veranstaltungen gegeben. Es gab dafür Gründe - nicht alle in der deutschen Linken hatten dieselbe Partei in Griechenland unterstützt, die sieben Monate SYRIZA an der Regierung und der Brüsseler Gläubiger-Deal vom Juli hatten viel Wasser in den zuvor oft euphorisch betrachteten griechischen Wein fließen lassen. Und so richtig nach Sieg hatte es in den vergangenen Tagen laut der meisten Medien für SYRIZA ja auch nicht ausgesehen.

Als am Sonntagabend dann der doch viel deutlicher ausgefallene Erfolg von Alexis Tsipras erkennbar wurde, war auch die Freude bei den meisten Linkenpolitikern in Deutschland groß. Bundeschef Bernd Riexinger nannte Tsipras einen »Sieger gegen neoliberale EU-Eliten und Meinungsmacher«. »Herzlichen Glückwunsch« sagte auch Linksfraktionsvize Dietmar Bartsch und kommentierte mit Blick auf die Umfragen: »Kopf an Kopf sagten die Demoskopen? Desaster für sie.«

Linksfraktionschef Gregor Gysi bezeichnete den erneuten Wahlsieg von SYRIZA als »eine klare Absage an die Europapolitik von Kanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble«. Er freue sich »außerordentlich für unsere Schwesterpartei SYRIZA und meinen Freund Alexis Tsipras«. Gysi forderte die Bundesregierung zugleich auf, »den Wählerauftrag der Griechinnen und Griechen endlich zu respektieren und einer neuen Linksregierung in Athen nicht länger mit Erpressung zu begegnen, sondern der EU-Partnerin Griechenland einen fairen Neuanfang zu ermöglichen«. Solidarität in der EU sei wichtig, so der Linkenpolitiker. »Die Bundesregierung hat sich gegenüber Griechenland nicht solidarisch verhalten. Und nun erleben wir eine mangelnde Solidarität osteuropäischer Länder in der Flüchtlingsfrage. So darf es mit der EU nicht weitergehen.«

Der Europaabgeordnete Fabio De Masi zeigte sich erleichtert, dass die Griechen Nein zum »alten Kartell« gesagt hätten, es sei aber »schlecht«, dass dass Troika-Diktat Wirtschaft und Demokratie »weiter zerstören« werde. Linkenchefin Katja Kipping sagte in einer ersten Reaktion auf Twitter, die Wahlen würden zeigen: der »Grexit ist in griechischen Bevölkerung alles andere als beliebt«.

Der Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich freute sich am Sonntagabend nicht nur über ein »Oxi« zu »den Parteien, die Griechenland an den Abgrund gewirtschaftet haben«, sondern auch über das eher schlechte Abschneiden derer, »die sich vom Euro oder der EU verabschieden wollen« - eine Bemerkung in Richtung Laiki Enotita. Auch der Bundesschatzmeister der Partei, Thomas Nord, sagte, »viele Griechen haben wohl genug von Wahlen. Jetzt wollen sie Veränderungen. Aber nicht den Grexit. Wer den fordert, landet im Abseits«. Für die SYRIZA-Abspaltung um Pangiotis Lafazanis hatte sich innerhalb der Linkspartei unter anderem die Strömung Antikapitalistische Linke ausgesprochen.

Auf Kritik stieß hingegen die bereits am Abend erklärte Entscheidung von SYRIZA, wieder mit der nationalistischen ANEL zu kooperieren. »So sehr es Freude« über den Wahlerfolg von SYRIZA gebe, so sehr sei die »erneute Koalition mit ANEL ärgerlich«, twitterte die Berliner Linken-Bundestagsabgeordnete Halina Wawzyniak. Ähnlich äußerte sich ihre Parteifreundin Elke Breitenbach am Abend im Kurznachrichtendienst Twitter.

Auch die Vorsitzende der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Dagmar Enkelmann, reagierte bereits am Abend auf den Wahlausgang. Sie sagte in einer ersten Reaktion auf dem Kurznachrichtendienst Twitter, »aus dem Sieg von SYRIZA für das griechische Volk etwas zu machen, gelingt, wenn deutsche und europäische Linke kritisch und solidarisch sind«. nd

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