Sprich mit mir!

Wer mehr miteinander redet, kann die Liebe retten. Von Alexander Isele

  • Alexander Isele
  • Lesedauer: 2 Min.

Vielleicht lachen Sie jetzt herzlich, wenn Ihnen mitgeteilt wird, dass Paare in Deutschland im Durchschnitt täglich nicht nur lediglich 15 Minuten miteinander reden, sondern wirklich verbal kommunizieren und einander zuhören. Vielleicht bleibt Ihnen aber auch das Lachen im Hals stecken, wenn Sie zusammenrechnen, wie lange Sie in der letzten Woche pro Tag mit ihrem Partner, sollten Sie einen haben, geredet haben.

Der Dialog mit unserer Umwelt stellt eine tägliche Herausforderung dar. Er erfordert unser Interesse am Gegenüber und unseren Fokus. Bloß, wer kann es sich schon erlauben, die Aufmerksamkeit nur auf die angenehmen Seiten des Lebens zu richten?

Wenn man sich an die Anfangsphase einer Beziehung erinnert, bleiben die Endlos-Gespräche: was man alles wissen wollte und was man alles mitteilen wollte. Im Laufe der Beziehung nimmt der Wunsch nach Austausch und Zeit füreinander meist ab, zumindest wird dem nicht mehr die oberste Priorität eingeräumt . Da ist der Chef, der noch dieses oder jenes erledigt haben will. Da ist der Alltag, der organisiert werden muss. Routine stellt sich ein.

Neue Kommunikationsmittel erleichtern natürlich, diese zu meistern. Per »Messanger-Dienst-App« noch schnell die Einkaufsliste mitgeteilt, ein »Daumen hoch« auf den vom Partner geteilten Status-Update, verziert mit wahlweise drei oder siebzehn Herzchen (<3), diversen Augenzwinkern und virtuellen Blumensträußen.

Zwar lassen einen die bei Facebook erhaltenen »Gefällt mir«-Klicks gut fühlen, und ganz gewiss möchte man Anteilnahme ausdrücken, wenn man den »Like-Button« drückt. Aber ein Austausch über Gefühle, Veränderungen oder Einstellungen findet dabei kaum noch statt.

Viele Paartherapeuten raten zu einer Kultur des Miteinander-Redens, sich einmal wöchentlich Zeit zu nehmen, dem anderen mitzuteilen, wie es einem ergeht, was einen umtreibt. Genauso wichtig ist dabei aber das Zuhören, die Meinung des Anderen gelten zu lassen. Was ebenfalls gelernt werden muss, ist gemeinsam zu schweigen, wenn man sich einmal nichts zu sagen hat. Dazu braucht es Vertrauen. Gleichzeitig kann dieses Vertrauen jedes Mal ein Stück wachsen, wenn man den Mut aufbringt, sich dem Anderen unverstellt zu zeigen.

Letztlich geht es beim Im-Gespräch-Bleiben um zwei Dinge: einerseits darum, den Dialog aufrechtzuerhalten – andererseits aber auch darum, interessant zu bleiben. In Zeiten des Kapitalismus ist es bereits eine Liebes-Utopie, mehr als 15 Minuten täglich Zeit für ein gemeinsames Gespräch zu haben. Es ist an der Zeit, diese Utopie zu wagen.

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