nd-aktuell.de / 08.02.2016 / Politik / Seite 13

Thüringen ist Schlusslicht bei Gründern

Zahlen spiegeln aber auch Rückgang der »Ich-AGs«

Erfurt. In Thüringen nimmt die Zahl der Selbstständigen stetig ab. 2014 standen nach Angaben des Bundes der Selbstständigen (BDS) 12 700 Gewerbeanmeldungen etwa 15 000 Abmeldungen gegenüber. Dieser Trend hat sich laut BDS-Landeschef Rolf Menzel 2015 fortgesetzt. In einem Ranking der Förderbank KfW zur Zahl der jährlichen Existenzgründer zwischen 2009 und 2014 belegt der Freistaat den letzten Platz.

Menschen wagten vor allem zwischen 31 und 40 Jahren den Schritt in die Selbstständigkeit. »Gründer in einem Alter von über 50 Jahren gibt es in Thüringen so gut wie gar nicht«, sagte Menzel der dpa. Und forderte für diese Gruppe mehr Förderung.

Laut Landesamt für Statistik gab es in Thüringen 2014 rund 112 000 Selbstständige inklusive mithelfender Angehöriger. Die Zahl sinkt bereits seit 2012 kontinuierlich. Der BDS fordert deshalb die Politik zum Handeln auf. Bürokratische Hürden müssten weiter abgebaut werden. Die Politik konzentriere sich zu sehr auf größere Unternehmen.

Bei jungen Selbstständigen sind laut BDS vor allem Berufsfelder in einem Büroumfeld wie Versicherungen, Finanzen oder ähnlichen Dienstleistungen beliebt. »Wo mit körperlicher Arbeit Geld verdient wird, findet sich kaum ein Neueinsteiger. Auch Handwerker, die aus Altersgründen aufhören, finden deshalb kaum Nachfolger«, berichtet Menzel.

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Erfurt sieht die Tendenz dagegen nicht nur negativ. Die rückläufigen Zahlen spiegelten auch, dass die Förderung sogenannter Ich-AGs stark heruntergefahren worden sei. Daher sei der Anteil der Gründer mit einem konkreten Geschäftsmodell und besseren Erfolgsaussichten gestiegen, so Hauptgeschäftsführer Gerald Grusser. Leicht zugelegt hat demnach auch die Zahl der Nebenerwerbsgründungen, die 2014 auf einen Anteil von rund 40 Prozent an den Existenzgründungen kamen. Bei der Selbstständigenquote von Frauen gab es einen leichten Anstieg von 6,4 auf 6,7 Prozent.

Dennoch haben laut IHK auch weiterhin letztlich nur wenige Selbstständige dauerhaften Erfolg: Im Schnitt waren fünf Jahre nach der Gründung nur noch rund die Hälfte der Unternehmen am Markt aktiv.

Für Gründer gibt es in Thüringen zahlreiche Fördermöglichkeiten. Laut Wirtschaftsministerium können Handwerker auf organisationseigene Berater zurückgreifen. Für den Schritt in die Selbstständigkeit können ein Existenzgründerpass, eine Gründerprämie sowie Intensivberatungen beantragt werden. Für innovative Gründungen wurde ein Start-up-Fonds eingerichtet. Zudem gibt es ein Darlehensprogramm für Unternehmensgründer, die Gründungs- und Wachstumsfinanzierung (GuW).

Auswirkungen der Zuwanderung von Flüchtlingen erwarten IHK und BSD so bald nicht. »Wir gehen davon aus, dass sich das zumindest in den kommenden fünf Jahren nicht bemerkbar machen wird«, so Menzel. Da jedoch unter den länger in Deutschland lebenden Migranten eine relativ hohe Neigung zu Gründungen herrsche, sei auch bei Neuankömmlingen mit mehr Gründungen zu rechnen, sobald sie sich zurechtgefunden hätten. dpa/nd