Wohnoase lässt auf sich warten

Potsdam kommt bei der Sanierung der Krampnitz-Kasernen für 4000 Menschen nicht voran

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 4 Min.
Vor 80 Jahren musste ein traumhaftes Stück Natur im Norden von Potsdam den Kriegsvorbereitungen der Nazis weichen. 1939, mit Kriegsausbruch, waren die Kasernen von Krampnitz bezugsfertig.

Die Landeshauptstadt Potsdam mit ihrem Mix aus Barock und Moderne, ihrem Kultur- und Bildungsangebot gehört zu den besonders gefragten Wohngegenden in Berlin-Brandenburg. Seit Jahren wächst die Einwohnerzahl, preiswerter Wohnraum für Normalverdiener und Studenten ist kaum noch zu bekommen. Die Unterbringung zahlreicher Asylbewerber verschärft die Situation zusätzlich. Umso mehr Gewicht bekommen die Pläne der Stadt, das brach liegende Kasernenstädtchen Krampnitz neu zu beleben. Die Lage der Immobilie an der B 2 zwischen Krampnitzsee und Fahrländer See ist schlichtweg malerisch. Hier soll einmal hochwertiges Wohnen im Grünen und in Uferlage geboten werden.

Ein ganzer Stadtteil soll hier entstehen. Der städtische Entwicklungsträger Pro Potsdam will auf bis zu 120 Hektar - zum Teil in den denkmalgeschützten Kasernenbauten - an die 1700 Wohnungen schaffen. 3800 bis 4000 Menschen sollen hier einmal wohnen. Auf 17 000 Quadratmetern Fläche sollen Einzelhandel und Gewerbe angesiedelt werden. Wenn die Projektentwickler einmal losgelegt haben, soll es noch rund zehn Jahre dauern, bis alles fertig ist.

Das große Problem mit Krampnitz sind die Rechtsstreitigkeiten, die das Projekt von Anbeginn begleitet haben. Schon der Streit um die Rückgabe des unter dubiosen Bedingungen 2007 erfolgten Verkaufs des Grundstücks durch das Land an die private TG-Unternehmensgruppe ist noch nicht entschieden. Der Vorgang hatte damals einen Untersuchungsausschuss beschäftigt. Eine Auseinandersetzung Potsdams mit der TG, die das Areal entwickeln will, hat die Hauptstadt immerhin zu Jahresbeginn für sich entschieden.

»Solange die Grundstücksfragen nicht geklärt sind, kann nicht entwickelt werden«, sagt Pro-Potsdam-Sprecherin Anna Winkler dem »nd«. Das städtische Unternehmen verhandelt mit der TG-Gruppe inzwischen den Abschluss eines städtebaulichen Vertrags, in dem es vor allem um gemeinsame Investitionen in Krampnitz geht. Winkler ist vorsichtig optimistisch, dass die notwenigen Entscheidungen bald fallen. Ob aber 2025 als Jahr der Fertigstellung realistisch ist, darauf möchte sie sich nicht festlegen lassen. »Wir ergreifen viele vorbereitende Maßnahmen, denn wir wollen Krampnitz zu einem grünen Stadtteil machen«, sagt sie. Sorge bereitet ihr der Zustand vieler Bauten. Auch einige der denkmalgeschützten Gebäude bedürfen dringender Sicherungsarbeiten. Doch auch über die Kosten und deren mögliche Erstattung im Falle einer Rückabwicklung der Immobilie sind sich Pro Potsdam und TG noch nicht einig. In einigen Fällen habe die Stadt 2015 genehmigt, in Vorleistung zu gehen. Beim prominentesten Fall, dem maroden Fährichhaus, steht laut Winkler eine Einigung im Raum.

Vergleichsweise entspannt haben alle Verantwortlichen reagiert, als Anfang Februar gemeldet wurde, dass zahlreiche seltene Fledermausarten die Keller und Gewölbe von Krampnitz bevölkern. Christiane Schröder vom Naturschutzbund (NABU) in Potsdam bestätigte, dass vor allem das Große Mausohr, eine der vier am strengsten geschützten Arten, mit 30 Tieren eine der größten Populationen in Brandenburg entwickelt hat. Schröder aber auch Pro-Potsdam-Sprecherin Winkler sehen aber keine unlösbare Aufgabe darin, die nachtaktiven Nager umzusiedeln. Für das Mausohr werde sogar ein Bleiberecht diskutiert - Fledermaus-Quartier im Keller, oberirdisch rücksichtsvolles Wohnen -, sagt Anna Winkler.

Ab 1935 war die Kasernenanlage für die »Heeres Reit- und Fahrschule« gebaut worden. Dass sie als solche am 1. September 1939 auch in Betrieb ging, belegt den damals noch immer hohen Stellenwert der Vierbeiner - die gefürchtete Wehrmacht fiel gerade an diesem Tag mit 600 000 Pferden im Bestand zum Raubzug in Polen ein. Der Standort Krampnitz war wegen der verkehrsgünstigen Lage und der Nähe zum Truppenübungsplatz Döberitz gewählt worden. Die Kaserne, ab 1943 »Panzertruppenschule«, fiel der Roten Armee 1945 kampflos in die Hände. Die sowjetische Armee erfasste die strategisch günstige Lage an der Grenze zu Westberlin und zog mit Panzereinheiten ein. Bis zur Aufgabe durch die russischen Truppen 1991 waren in Krampnitz Tausende Soldaten und Offiziere sowie deren Familien untergebracht. DDR-Betriebe hatten für sie zahlreiche Plattenbauten auf dem Areal errichtet - am Ende war Krampnitz eine Kleinstadt. Seit dem Truppenabzug haben wiederholt internationale Filmproduktionen wie im Jahr 2000 »Enemy at the Gates« Krampnitz in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Nach insgesamt 25 Jahren sollte wieder wirkliches Leben in die Häuser ziehen.

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