nd-aktuell.de / 12.02.2016 / Brandenburg / Seite 12

Ein Lehrling aus Griechenland

Ioannis Ntinas findet in seiner Heimat keine Arbeit und lässt sich in einer Fürstenwalder Autowerkstatt ausbilden

Jeanette Bederke
Brandenburger Firmen suchen händeringend Nachwuchs. Wo es keine deutschen Lehrlinge gibt, sehen junge Griechen ihre Chance. Ein Projekt macht sie zu Fachkräften.

Wenn Ioannis Ntinas unter die Haube eines Autos schaut, hat er bereits einen Kennerblick. »Ölwechsel, Inspektion, kleinere Reparaturen«, zählt der 19 Jahre alte Grieche auf, was er während seiner Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker in einem Fürstenwalder Autohaus schon gemacht hat. Als erstes habe er vor gut einem halben Jahr einen Zylinderkopf ausgetauscht, erinnert sich der eifrige Lehrling im Blaumann.

Damals machte er mit zwei weiteren jungen Griechen zunächst ein sechswöchiges Praktikum in dem Autohaus. Er konnte ausprobieren, ob das der richtige Beruf für ihn ist. Der Betrieb entschied, dass Ioannis ins Team passen würde. Der 19-Jährige ist noch dabei, als einziger aus dem griechischen Trio.

»Ein anderer hat aufgegeben, der dritte lernt jetzt Koch im Arosa-Hotel Bad Saarow«, berichtet Siegfried Unger, Geschäftsführer der Gesellschaft für Arbeit und Soziales (Gefas). Die Gefas betreibt unter anderem mehrere Tafeln, Möbel- und Kleiderkammern sowie Asylunterkünfte und hat sich mit sozialen Projekten einen Namen gemacht.

Bei der Bundesagentur für Arbeit bewarb sich die Gefas bereits 2014 erfolgreich für das Programm MobiPro-EU zur Förderung der beruflichen Mobilität von an Ausbildung interessierten Jugendlichen aus Europa, so der sperrige Name. »Wir wollten etwas gegen den Fachkräftemangel in Ostbrandenburg tun, holten die jungen Griechen für Ausbildungsplätze in Gastronomie, Altenpflege, Autohaus und der Heizungs- und Sanitär-Branche, für die sich keine deutschen Bewerber fanden«, erklärt Unger.

Was für Unger und die Firmen besonders wichtig war: Der griechische Berufsnachwuchs bekundete, nach der Ausbildung in Deutschland bleiben zu wollen. So wie Ioannis, der nach dreieinhalb Jahren Lehre mit seiner in Dortmund lebenden Freundin zusammenziehen will. »Zuhause gibt es keine Arbeit«, sagt er. 30 Jugendliche waren in Griechenland ausgewählt worden und lernten in ihrer Heimat drei Monate lang intensiv Deutsch. 25 von ihnen - zwischen 18 und 27 Jahre alt - kamen dann im Juni nach Ostbrandenburg. Die Gefas brachte sie in einem leerstehenden Fürstenwalder Hotel unter, stellte ihnen eine Sozialpädagogin zur Seite. Über das Förderprogramm erhielten sie neben den Reisekosten ein Taschengeld für ihren Lebensunterhalt. Nach den Praktika trennte sich die Spreu vom Weizen, wie Unger es ausdrückt.

15 junge Griechen bekamen Lehrstellen in ihren Praktikumsbetrieben, zwei weitere wechselten die Berufsrichtung. Der Rest ging zurück in die Heimat oder zu Verwandten in Deutschland. »Bei einigen reichten die Sprachfortschritte nicht, anderen fehlte die richtige Arbeitseinstellung«, bedauert der Gefas-Chef. Dennoch sei die Quote im Bundesvergleich hoch. Wohl auch deshalb hat die Arbeitsagentur gerade einen weiteren Förderbescheid der Gefas bewilligt - für weitere 18 junge Griechen auf der Suche nach einer beruflichen Perspektive. Denn schon im vergangenen Jahr bekam die Gefas mehr Offerten von interessierten Firmen, als es Bewerber gab. »Ende Februar werden wir zu unseren griechischen Partnern fahren, die Jugendlichen für die Deutschkurse auswählen«, sagt Unger. Noch gründlicher müsse geschaut werden, dass Interessent und Berufsrichtung tatsächlich passen. Noch intensiver müsse der Deutschunterricht sein.

»Wer sich gut anstellt, bekommt bei uns eine Perspektive«, bekräftigt der Betriebsleiter des Fürstenwalder Autohauses, Markus Hußner. Dafür sei Ioannis das beste Beispiel. Das bestätigen auch seine Kollegen in der Werkstatt. »Er ist fleißig, kann selbstständig arbeiten, hat Interesse und sein Deutsch wird merklich besser«, lobt Stefan Schufflitz.

Da habe er mit deutschen Lehrlingen ganz andere Sachen erlebt, deutet er an. »Jemanden mit der richtigen Arbeitseinstellung zu finden, ist schwer.« In der Kfz-Branche sei der Fachkräftemangel zwar noch nicht akut, aber absehbar, ergänzt Hußner. »Junge Leute interessieren sich nicht mehr fürs Handwerk, sondern gesellschaftlich bedingt eher für die neuen Medien.« dpa