Bundes- oder Oberliga?

Die Zukunft der Ringer des einstigen deutschen Meisters 1. Luckenwalder SC ist ungewiss

Anfang Februar zog das Präsidium des 1. Luckenwalder SC das Ringerteam aus der Bundesliga zurück. Der Untergang der Ringerhochburg schien besiegelt. Gibt es Hoffnung auf eine Auferstehung?

25 Jahre lang war der 1. Luckenwalder SC als einzige ostdeutsche Ringermannschaft ununterbrochen in der 1. Bundesliga vertreten. Hervorgegangen aus der einstigen SG Dynamo Luckenwalde, die das hohe Niveau des DDR-Ringkampfsports bestimmte. Welt-, Europameister und olympische Medaillengewinner kamen aus dem Verein, der mit 21 Titeln DDR-Rekordmeister war. Mit der politischen Wende wurde schon am 14. Juni 1990 mit dem 1. LSC ein neuer Verein gegründet, der gleich in die 1. Bundesliga aufrückte.

Der Aufstieg der Luckenwalder gipfelte im Gewinn des deutschen Mannschaftsmeistertitels 2006 - der erste und bis heute einzige Meistertitel einer ostdeutschen Ringermannschaft. Ohne ein funktionierendes Sponsoring wäre das kaum möglich gewesen, vor allem das Transportunternehmen ReiCo tat sich dabei hervor, geleitet von Reinhardt Töpel, zu DDR-Zeiten ein erfolgreicher LPG-Vorsitzender.

Töpel investierte eine Menge Geld in den Verein und machte ihn auch schuldenfrei. Spitzenringer aus Bulgarien, Russland, Georgien, Serbien, Rumänien, Polen, Ungarn, Tschechien, der Ukraine, der Türkei, Dänemark, Griechenland und Norwegen konnten engagiert werden. Die großen Namen wurden zum größten Teil zu den Wettkämpfen einflogen.

Doch Triumphe auf der Matte müssen immer wieder neu errungen werden. Nach dem Höhenflug 2006 wurde Luckenwalde noch dreimal Vizemeister, der Glanz aber verblasste und Hauptsponsor Töpel zog sich zurück: Er steckte sein Geld fortan lieber in den Fußball-Viertligisten FC Carl Zeiss Jena.

Trotz eines auf 200 000 Euro zusammengestutzten Minietats hatte man für die zurückliegende Saison 18 Ringer im Klassischen und Freien Stil verpflichtet: neun Deutsche und neun Kämpfer aus Bulgarien, Serbien, der Ukraine, Dänemark, Griechenland und Norwegen. Am Ende verpasste der 1. LSC als Dritter in der Playoff-Vierergruppe B knapp das Halbfinale.

Doch die »heile Welt« ist längst dahin. Zwar konnte Manager Bernd Fassbender, seit 2005 Geschäftsführer der für den Profibereich zuständigen Nelson GmbH, die Verträge mit sieben ausländischen Ringern verlängern, doch deutsche Spitzenathleten wie der Olympiakandidat Nick Matuhin, der deutsche Meister Damian Hartmann, Emanuel Krause und die Schwergewichtshoffnung Christian John kehrten dem Verein den Rücken und heuerten inzwischen bei finanzstärkeren Vereinen in Süddeutschland an. Weitere Ringer signalisierten, aus privaten und Gewichtsgründen nicht mehr in der 1. Bundesliga starten zu wollen. Allgemein herrschte eine große Unzufriedenheit. Der inzwischen abgewanderte Christian John klagte: »Mit mir hat niemand über die Zukunft gesprochen.« Ein Armutszeugnis für den Vorstand und ein Beleg für die Sprachlosigkeit untereinander. Derlei Animositäten beförderten den Absturz des Vereins. Zudem ist von vereinsinternen Fehlern im Management und mangelnder Unterstützung durch die Vereinsspitze die Rede. Vorwürfe, die auf der außerordentlichen Mitgliedersammlung des Vereins Anfang März eine Rolle spielen werden.

Nicht zuletzt haben natürlich auch finanzielle Gründe den Abgang von Topathleten befördert. Seit dem Beschluss des Bundesligaausschusses im Deutschen Ringerbund (DRB), die 1. Bundesliga wieder eingleisig zu machen, halten finanzkräftigere Vereine nach deutschen Spitzenringern Ausschau. Da das Reglement vorschreibt, dass an einem Kampfabend von zehn Ringern mindestens fünf Deutsche auf der Matte stehen müssen, steigt die Nachfrage bei anderen Vereinen. Das bekam Luckenwalde nun zu spüren.

»Angesichts dieser Umstände war es natürlich schwer, für die kommende Saison eine vernünftige Mannschaft auf die Matte zu bringen«, so Fassbender. Die Folge: Anfang Februar erklärte Christian Buddewege, seit 2010 an der Vereinsspitze stehend, inzwischen aber zurückgetreten, nach einer Vorstandssitzung den Rückzug aus der 1. Bundesliga »auch unter Berücksichtigung von möglichen Optionen für Lösungen und Alternativen«. Dabei solle, so hieß es weiter, »bis Ende März ein Konzept erarbeitet werden, um den 1. LSC weiter im Wettkampfgeschehen zu halten und mittelfristig wieder höherklassigen Ringkampfsport anzubieten«. Der Untergang der einstigen Ringerhochburg?

Hinter den Kulissen wurde eifrig verhandelt, um ein schlagkräftiges Team für die nächste Saison auf die Beine zu stellen. Manager Bernd Fassbender deutete gegenüber »nd« vielsagend zum Neuaufbau an: »Wir sind in vielen Verhandlungen mit allen Seiten, um eine Wende zu erreichen.« Entschieden sei aber noch nichts. Gemunkelt wird von einer Kooperation der Luckenwalder mit dem RC Germania Potsdam oder dem RSV Hansa 90 Frankfurt (Oder), die beide in der Regionalliga kämpfen.

Auferstehung oder Untergang? Bundesliga oder Oberliga? Nichts ist klar. Immerhin bleibt vorerst eine erfreuliche Botschaft zurück: Das erfolgreiche Ringer-Bundesnachwuchsleistungszentrum samt Sporteliteschule in Luckenwalde ist trotz der Turbulenzen nicht infrage gestellt.

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