nd-aktuell.de / 25.02.2016 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 9

Schockfotos auf der Zigarettenschachtel

Hersteller wollen Bundestagsabstimmung über die EU-Tabakrichtlinie um ein Jahr verschieben

Andrea Tebart
Das Rauchen soll einem vergehen. Eine EU-Richtlinie sieht große, schockierende Fotos auf Zigarettenpackungen vor. Stimmt der Bundestag an diesem Donnerstag zu, tritt das Gesetz zum 20. Mai in Kraft.

Die Tabakindustrie will, dass die Bundestagsabgeordneten den Termin der Abstimmung über die Umsetzung der EU-Tabakrichtlinie um zwölf Monate hinausschieben. Die Lobbyisten trugen ihre Begründung vergangene Woche auf einer Anhörung im Agrarausschuss vor. Gerade mittelständische Zigarettenhersteller hätten Schwierigkeiten, die vorgesehenen Neuerungen druck- und verpackungstechnisch umzusetzen, hieß es da. Die anwesenden Gesundheitsexperten plädierten hingegen für eine sofortige Umsetzung der EU-Richtlinie.

Zu den Neuerungen gehört, dass Warnhinweise auf Zigaretten- und Tabakpackungen künftig 65 Prozent der Vorder- und Rückseite einnehmen sowie Text und Bild kombiniert werden müssen. Aromen wie Menthol und andere Zusatzstoffe dürfen nicht mehr verwendet werden. Für Marken wie Golden American, Winfield, Peer 100, Lux oder Krone könnte das zur Folge haben, dass sie vom Markt verschwinden, weil sich die Umstellung der Produktion nicht lohnt. Auch wenn die Umsetzung der Richtlinie nicht verschoben wird - Hersteller dürfen ein Jahr länger die alten Verpackungen verkaufen und auf Vorrat produzieren.

Aber wie wirken die abstoßenden Fotos eines Karzinoms, einer Raucherlunge, eines offenen Brustkorbs oder gealterter Haut auf einen Raucher, der den »Genuss« sucht und mit dem Gegenteil konfrontiert wird? Kanada hat seit 2001 solche »Foto-Erfahrung«: 90 Prozent der Jugendlichen fühlen sich durch diese Bilder informiert und finden das Rauchen weniger attraktiv. Eine Beobachtung, die die Gesundheitspsychologin Britta Renner von der Universität Kon-stanz bestätigt: »Früher fanden sie es cool. Mit den Fotos wird das soziale Image des Rauchens torpediert.«

1973 haben in Deutschland 63 Prozent der 18- bis 25-Jährigen mit dem Rauchen begonnen. 2011 waren es noch 36,8 Prozent. »Gerade Steuererhöhungen haben den Konsum reduziert, aber auch der Schutz für Passivraucher, Regelungen zu den Inhaltsstoffen, umfassende Werbeverbote sowie Warnhinweise«, sagt Martina Pötschke-Langer, Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention und des WHO-Kollaborationszentrums für Tabakkontrolle im Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg.

In Kanada erklärten 40 Prozent der Befragten, dass ihnen die optischen Hinweise geholfen hätten, mit dem Rauchen aufzuhören. In Australien waren es 62 Prozent. Immerhin 57 Prozent haben über das Aufhören nachgedacht und 34 Prozent sahen Schockfotos als Hilfe an, einen Rauchstopp zu versuchen.

Ein weiteres Indiz für die Wirksamkeit kam aus der australischen Tabakindustrie selbst: Diese hatte nämlich gegen die neue Gestaltung geklagt. Ohne Erfolg, das höchste Gericht in Canberra schmetterte die Klage ab. Seit 2012 sind triste schlammfarbene Packungen sowie abstoßende Bilder in »Down Under« Pflicht. Damit hat das Land neben Brasilien, Uruguay und Kanada die schärfsten Anti-Tabak-Gesetze der Welt.

Der kanadische Experte David Hammond hält einen Nachweis der Effizienz solcher Bilder für schwierig. Er ist überzeugt, dass die positive Wirkung von der Größe des Textes und dem Design der Fotos abhängt. Psychologin Britta Renner sagt: »Die allermeisten Raucher wissen um ihr Risiko, aber es dominiert die physiologische Abhängigkeit. Ein einziger Zug wirkt schon beruhigend. Und darauf wollten viele nicht verzichten.« Renner glaubt deshalb nicht, dass solche Fotos Menschen zum Nichtraucher machen: »Aber Nichtraucher können so sicherlich davon abgehalten werden. Raucher selber haben eine erhöhte Risiko-, aber mangelnde Kompetenzwahrnehmung. Viele wünschen sich, damit aufzuhören, aber sind davon überzeugt, dass sie es nicht schaffen. Wer entschlossen ist, dem gelingt es, obwohl der Mensch an sich nicht darauf angelegt ist, langfristige Konsequenzen zu sehen. Der aktuell schlechte Atem wird nämlich stärker bewertet als die mögliche Spätfolge Lungenkrebs.«

Für Pötschke-Langer sind die Fotos ein wichtiger Baustein im Haus der Anti-Rauch-Maßnahmen: »Gerade in Kombination mit den Warnhinweisen. Wir wollen den Einstieg ins Rauchen verhindern, den Rauchern den Ausstieg erleichtern und Ex-Rauchern helfen, Rückfälle zu vermeiden.«