nd-aktuell.de / 25.02.2016 / Kultur / Seite 14

Betreutes Musizieren

Toni Krahls »Rocklegenden«

Wenn die Puhdys, Karat und City gemeinsam auf ihre »Rocklegenden«-Tour gehen - »fünfzehn Musiker, alle jenseits der sechzig« -, dann nennt City-Frontmann Toni Krahl das angesichts diverser Seniorenmarotten und des erheblichen logistischen Aufwands selbstironisch ein »betreutes Musizieren«. Doch die 2015er Konzerte kamen nicht nur bei den Bühnenroutiniers, sondern vor allem beim Publikum so gut an, dass die Tour in diesem Jahr fortgeführt wird. Den Puhdys beschert das Projekt also sogar ein Leben nach dem Tod, wenn man so will. Denn eigentlich hatte die Band sich ja im Januar aufgelöst.

In Krahls soeben erschienenen Memoiren, die ebenfalls den Titel »Rocklegenden« tragen, ist der lebensverlängernden Verbrüderungssause lediglich das letzte Kapitel gewidmet. Die gut 200 Seiten davor sind den unerhörten Begebenheiten gewidmet, die dem kahlköpfigen Vollblutrocker im Laufe seiner 66 Lebensjahre so wiederfahren sind - lauter Aufs und einige Abs, die nicht zuletzt deshalb augenöffnend sind, weil sie veranschaulichen, dass »Kulturschaffende« in der DDR nicht nur gegen absurde Mauern rannten, sondern auch ungeheure Freiheiten und wohlkalkulierte Förderung genossen.

Dass Toni Krahl seine autobiografisch-rockhistorischen Anekdoten als »Legenden« bezeichnet, soll deren Wahrheitsgehalt nicht infrage stellen. Erstaunlich ist vieles von dem, was hier zu erfahren ist, aber allemal. Wussten Sie zum Beispiel, dass Krahl seine erste E-Gitarre (»etwas zu teuer«) ausgerechnet von Henry Hübchen erstand? Dass die gegen ihn verhängte (und dann zur Bewährung ausgesetzte) Haftstrafe wegen der Proteste im Umfeld des »Prager Frühlings« höher ausfiel als die gegen Thomas Brasch? Und welcher Zufall zur Entstehung des größten City-Hits aller Zeiten, »Am Fenster«, führte? mha

Toni Krahls Rocklegenden. Verlag neues leben. 224 S., geb., 19,99 €. Buchpremiere am 25.1., 19 Uhr, im Dussmann-Kulturkaufhaus, Friedrichstraße 90, Mitte. Eintritt frei