nd-aktuell.de / 26.02.2016 / Kommentare

Sozialgrenzzäune

Kurt Stenger über die Probleme der EU-Staaten mit der Freizügigkeit der Armen

Kurt Stenger

Was ist eigentlich die EU? Salopp gesagt, ein großer, regulierter Binnenmarkt, in dem Waren, Dienstleistungen und Menschen ungehindert von Zöllen oder Staatsgrenzen hin und her transportiert werden können. In diesen Tagen, wo Stacheldraht ausgerollt wird und wieder Grenzzäune entstehen, scheint diese Freihandelszone in Selbstauflösung begriffen.

Auch wenn die Flüchtlinge gerne zum Sündenbock für alles Mögliche gemacht werden - wenn die EU zerbricht, dann an ihren lange zuvor bestehenden inneren Widersprüchen. Ein Binnenmarkt funktioniert nur, wenn es auch eine politische Union und Maßnahmen eines sozialen Ausgleichs gibt. Das war aber von Anfang an nicht vorgesehen. Deshalb gab es immer nur eine rudimentäre Freizügigkeit von Menschen - man denke nur an die Osterweiterung mit ihren Übergangsfristen. Und einer EU-Richtlinie, wonach Neubürgern für einige Monate Sozialleistungen verwehrt werden können, hat der EuGH mehrfach seinen höchstrichterlichen Segen gegeben. Eine Steilvorlage für die mit dem Brexit drohenden Briten, die die Sozialausnahmen auf mehrere Jahre ausdehnen können- es ist nur eine Frage der Zeit, bis andere nachziehen.

Der EU-Bürger ist eine Mär geblieben. Es gibt Inländer und ärmere, in ihren Rechten beschränkte Ausländer. Mit solch unsichtbaren Sozialgrenzzäunen lässt sich eines bestimmt nicht schaffen: ein Zusammenwachsen Europas.