nd-aktuell.de / 04.03.2016 / Kultur / Seite 12

Leerstelle Vergangenheit

Wir werden versetzt ins Österreich der 1930er Jahre: Friedrich Zawrel wächst dort in ärmsten Verhältnissen auf, landet, nachdem seine Familie zwangsgeräumt wird, in mehreren Pflegefamilien, haut immer wieder ab und wird schließlich als »erbbiologisch und sozial minderwertig« eingestuft in den »Spiegelgrund« gesteckt, die zweitgrößte »Kinderfachabteilung« des Deutschen Reichs. Eine Euthanasieanstalt.

Zawrel gelingt die Flucht, ihm haftet das Stigma aber forthin an, er darf keine Ausbildung machen und hält sich als Kleinkrimineller über Wasser. Der ehemalige Anstaltsarzt Dr. Gross macht nach dem Krieg Karriere mit seiner Forschung an Kindergehirnen, ist SPÖ-Mitglied, Träger des Bundesverdienstkreuzes und der einflussreichste Gerichtsgutachter des Landes. In dieser Funktion trifft er Jahre später erneut mit Zawrel zusammen, verweigert die Konfrontation mit der Vergangenheit und bringt ihn mit einem Gutachten für Jahre ins Gefängnis. Als es im Jahr 2000 endlich zu einem Prozess gegen Gross kommt, ist dieser der Demenz verfallen. Die Schaubude Berlin zeigt erstmalig das preisgekrönte Stück »F. Zawrel…« des Shooting-Stars der österreichischen Theaterszene Nikolaus Habjan in Berlin. nd

4. / 5.3., 20 Uhr, Greifswalder Straße 81-84, Prenzlauer Berg