Teufelsspaß mit Teufelsbrücke

»Ponte del Diavolo«: Ein eher biederes Brettspiel feiert Erfolge in der virtuellen Welt

  • Lesedauer: 4 Min.

Brücken schlagen von Insel zu Insel, das war und ist das Prinzip des klassischen Brettspiels »Ponte del Diavolo« (dt. Teufelsbrücke). Die internationale Spielgemeinde hat die analoge Variante nicht angenommen, spielt aber euphorisch die Internetversion. Ist das nicht etwas schade?

Sie müssen den praktischen Aspekt sehen. Natürlich ist es reizvoll, an einem richtigen Brett zu sitzen, aber andererseits haben viele Leute faktisch keine Möglichkeit, Spielpartner in ihrem näheren Umkreis zu finden. Da ist das Internet eine unbestreitbare Hilfe: Jetzt können sie sich buchstäblich weltweit zum Spielen verabreden.

Geht dabei aber nicht ein Verlust an gelebter Spielkultur einher, die sich im virtuellen Raum verflüchtigt?

Ganz im Gegenteil. Auch Brettspiele können von der Präsenz im Internet profitieren. »Ponte del Diavolo« ist exemplarisch. Das einstige Brettspielformat war in Wahrheit deutlich zu eng bemessen, bot keine ausreichende Basis für ausgefeilte taktische und strategische Manöver. Die User haben das rasch bemerkt und alternative andere Spielpläne ins Netz gestellt. Die Initiative für diese Verbesserung ging also von der Community im Web aus, nicht vom Erfinder! Allerdings hat Martin Ebel, der Vater von »Ponte del Diavolo«, das virtuell erweiterte Szenario im Nachhinein abgesegnet. Übrigens spiele ich ab und an mit ihm im Internet. Ohne wäre uns das wahrscheinlich kaum möglich gewesen.

Kann diese Entwicklung beispielhaft für andere Spielkonzepte werden, in denen vielleicht viel mehr drin steckt, als der erste Zugriff ahnen lässt?

Selbstverständlich! Beschäftigen sich viele Menschen damit per Computer, wird das intensiv getestet, weder Autor noch Verlag könnten Ähnliches leisten. Und womöglich stellt sich in der Folge heraus, dass ein Spiel, das auf den ersten Blick simpel wirkt, viel komplexer ist als selbst der Urheber geahnt hat.

Trotzdem verblüfft diese zeitverzögerte Erfolgsgeschichte von »Ponte del Diavolo«. Einst für Spielromantiker kreiert, und nun boomt dieses eher unsinnliche Gegenstück auf dem Bildschirmen.

Wer diese romantische Vorstellung von Spielkultur hat, soll sich gerne ein Exemplar besorgen und in den Schrank stellen. Restexemplare kann man noch im Internet ordern. Spieler aus Leidenschaft interessieren sich für andere Dinge: Sind die Regeln plausibel und ausbalanciert? Sorgen sie für ausreichend Spannung? Und obendrein nicht unwichtig: Ist die praktische Umsetzung elegant gelöst? Auf dem ursprünglichen »Ponte del Diavolo«-Set verrutschen offenbar die Teile leicht, die Brücken wackelten. Problemlos funktioniert so gesehen erst die Onlineversion.

Allerdings dürfte bei Matches am Computer ein anderes wichtiges Element fehlen: den anderen Aug’ in Aug’ unter Druck zu setzten.

Das sollte man nicht überbewerten. Schließlich ist Kern aller strategischen Spiele der mentale Kampf. Ich werde versuchen, möglichst unangenehme Züge zu wählen, um den Konkurrenten einzuschüchtern. Obendrein kann ich parallel meist online mit ihm chatten, und die daraus resultierenden Dialoge haben auch das Potenzial, den Spielpartner psychologisch zu lenken oder zu verunsichern.

Sie sind ein Multitalent im Denksport, haben an internationalen Titelkämpfen von Go und Togus Kumalak teilgenommen. Sie sind zu Hause in den asiatischen Schachvarianten Shogi, Xiangqi und Makruk. Warum sind Sie online aber nun auch noch in der vergleichsweise überschaubaren virtuellen Welt von »Ponte del Diavolo« unterwegs?

Sie sollten das Spiel nicht unterschätzen. Die vordergründig einfachen Regeln machen den Weg frei für echte Abenteuertrips. Sie sind nicht gebunden an fixe Linien zum Auftakt einer Partie, alles ist offen.

Werfen Sie in dem von Ihnen praktizierten weitläufigen Spielekosmos mitunter nicht irgendetwas durcheinander?

Nein, die unterschiedlichen Erfahrungen aus den betreffenden Spielen befruchten sich gegenseitig. Gewisse Konzepte, die mich im Go nach vorne bringen, kann ich beispielsweise auch auf »Ponte del Diavolo« übertragen.

Wird sich der Begriff »Brett«-Spiel im eigentlichen Wortsinn demnächst ganz in eine nostalgische Erinnerung verwandeln?

Spiele, die den Rang nationaler Kulturgüter genießen, werden wohl nicht verschwinden. Neuere Kreationen kann man aber vielleicht nur noch eine gewisse Zeit lang kaufen, bis sie ins Web transformiert werden. Und andere Spiele werden wahrscheinlich nur auf Rechnern hochgeladen und im Internet angeboten.

Der Name »Ponte del Diavolo« assoziiert ja südliche Gefilde. So gibt es eine originale »Teufelsbrücke« über den Serchio-Fluss in der italienischen Provinz Lucca. Hätten Sie Lust, mal dorthin zu fahren?

Das könnte mir schon gefallen. Der echte »Ponte del Diavolo« ist architektonisch sicher sehr reizvoll, und Ort und Landschaft sind sicher wunderschön. Aber mit dem Spiel hat das nichts zu tun.

»Ponte del Diavolo« online spielen: www.brettspielnetz.de und www.jijbent.nl

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