Wie sich Beruf und Pflege vereinbaren lassen

Rund um die Pflege

  • Alexander Winkler, 
Pflegeexperte der DKV
  • Lesedauer: 4 Min.
Wenn ein Familienmitglied zum Pflegefall wird, wissen die Angehörigen oft nicht weiter. Doch erwerbstätigen Angehörigen von Pflegebedürftigen stehen viele Möglichkeiten offen.

Nach wie vor fangen vor allem die Familien die Folgen des demografischen Wandels auf: 2,5 Millionen Menschen in Deutschland sind laut Statistischem Bundesamt pflegebedürftig und in zwei Dritteln der Fälle kümmern sich die Angehörigen zu Hause um die Betroffenen. Davon sind 400 000 berufstätig.

Wer arbeitet und zusätzlich einen Angehörigen pflegt, steht vor enormen Anforderungen. Zwar wurde in den vergangenen Jahren bereits eine Reihe von Gesetzen auf den Weg gebracht, um die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege zu verbessern. Trotzdem glauben einer aktuellen Studie der Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege zufolge nur sieben Prozent der Deutschen, die Pflege eines Angehörigen ließe sich »gut« oder »sehr gut« parallel zum Arbeitsleben organisieren.

Neun Tipps auf einen Blick

 Hilfestellung leisten die Ansprechpartner der Pflegekassen oder der Compass-Pflegeberatung.

 Zusätzliche Informationen bietet außerdem das Bürgertelefon des Gesundheitsministeriums unter der Telefonnummer (030) 340 60 66-02.

 Das Bundesministerium hat zudem eine Website eingerichtet, die über einen digitalen Pflegeleistungs-Helfer verfügt: www.bundesgesundheitsministerium.de/service/pflegeleistungs-helfer.html

 Auf der Website des Verbandes der Privaten Krankenversicherung, www.pflegeberatung.de, gibt es weitere nützliche und hilfreiche Tipps.

 »Pflegeurlaub«: Beschäftigte können für die Organisation der Pflege bis zu zehn Tage von der Arbeit freinehmen. Der Arbeitgeber darf dies nicht ablehnen.

 »Pflegezeit«: Arbeitnehmer haben die Möglichkeit, sich bei vollem Kündigungsschutz bis zu sechs Monate für die Pflege freistellen zu lassen. Das gilt aber nur für Beschäftigte in Unternehmen mit mindestens 15 Mitarbeitern.

 »Familienpflegezeit«: Beschäftigte können bis zu 24 Monate ihre Arbeitszeit auf 15 Wochenstunden reduzieren. Sie steht nur Angestellten in Firmen ab 25 Mitarbeitern zu. Die Beiträge zur Sozialversicherung zahlt der Arbeitgeber weiterhin.

 Familien müssen im Pflegefall auf ein Einkommen während der Familienpflegezeit verzichten. Betroffene haben deshalb einen Anspruch auf ein zinsloses Darlehen vom Staat. Direkt nach der Pflegeauszeit ist eine Rückzahlung in Raten fällig.

 Ab 1. Januar 2017 tritt die Regelung in Kraft: Wer Familienangehörige mehr als zehn Stunden pro Woche pflegt, erhält zusätzliche Rentenversicherungsbeiträge aus der Pflegeversicherung.

Wo gibt es Hilfestellungen für Betroffene?

Tatsache ist, dass die Angehörigen, ohne im Beruf kürzer zu treten oder auszusteigen, die Pflege eines hilfebedürftigen Menschen kaum stemmen können. Dann aber stellt sich die Frage, wie sich der Ausfall des Einkommens auffangen lässt. Was aber sollten berufstätige Angehörige kurz-, mittel- und langfristig beachten? Welche Unterstützung steht ihnen zu?

Wichtig ist eine umfassende Vorabinformation. Gerade berufstätige Menschen sollten sichergehen, dass sie alle ihnen zustehenden Leistungen nutzen, sonst riskieren sie, sich an der Doppelbelastung aufzureiben.

Ansprechpartner gibt es bei den Pflegekassen oder bei der Compass-Pflegeberatung; zudem informiert das Bürgertelefon des Gesundheitsministeriums über die rechtlichen Rahmenbedingungen unter (030) 340 60 66-02. Das Ministerium hat außerdem auf seiner Website einen digitalen Pflegeleistungs-Helfer eingerichtet unter https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/pflegeleistungs-helfer.html.

Auch auf der Seite des Verbandes der Privaten Krankenversicherung unter www.pflegeberatung.de finden sich viele nützliche und hilfreiche Tipps.

SOS-Lösung für berufstätige Angehörige

Manchmal werden ältere Menschen von heute auf morgen zum Pflegefall. Dann muss eine Sofortlösung her. Doch einen Platz im Pflegeheim oder einen geeigneten Pflegedienst zu finden kostet Zeit und Mühe.

Um in akuten Fällen Unterbringung und Pflege sofort zu organisieren, können sich Angehörige ohne Vorlauf bis zu zehn Tage von der Arbeit frei nehmen - ihr Arbeitgeber darf dies nicht ablehnen. In diesem Fall spricht man vom »Pflegeurlaub«. Für diesen Urlaub zahlt die Pflegeversicherung bis zu einer bestimmten Höhe den Gehaltsausfall sowie die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung.

Mittel- und langfristige Auszeit vom Job

Reicht die kurze Auszeit nicht, gibt es die Möglichkeit, sich für sechs Monate freistellen zu lassen - und zwar bei vollem Kündigungsschutz. Das heißt dann »Pflegezeit«. Gehalt gibt es in der Zeit keines, nur einen Zuschuss für die Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung.

Für Arbeitnehmer, die noch mehr Zeit für die Pflege benötigen, bietet sich die bis zu 24 Monate lange »Familienpflegezeit« an. Hierbei können pflegende Beschäftigte ihre Arbeitszeit auf bis zu 15 Wochenstunden herunterfahren. Der Vorteil ist, dass die Betroffenen ihren Beruf nicht aufgeben müssen und ihre Sozialversicherung über den Arbeitgeber erhalten bleibt.

Zudem lassen sich die Angebote auf Auszeit kombinieren; allerdings kann der Beschäftigte insgesamt maximal 24 Monate Sonderurlaub beziehungsweise eine teilweise Freistellung nehmen - wer bereits sechs Monate Pflegezeit genommen hat, dem stehen also höchstens noch 18 Monate Familienpflegezeit zu.

Wichtig zu wissen: Der Rechtsanspruch auf die sechsmonatige Pause gilt nur für Beschäftigte in Unternehmen mit mindestens 15 Mitarbeitern; die 24-monatige Familienpflegezeit steht nur Angestellten in Firmen ab 25 Mitarbeitern zu. Alle anderen sind also auf den guten Willen ihres Arbeitgebers angewiesen.

Anspruch auf zinsloses Darlehen vom Staat

Vor allem aber müssen pflegende Angehörige sich fragen, wie sie den Wegfall des Einkommens während der Familienpflegezeit abfedern. Betroffene haben zwar Anspruch auf ein zinsloses Darlehen vom Staat - doch gleich im Anschluss an die Auszeit ist die ratenweise Rückzahlung des Geldes fällig.

Zumindest sorgt die jüngste Pflegereform dafür, dass pflegende Angehörige ab 1. Januar 2017 bei der sozialen Absicherung besser dastehen: Jeder, der einen Angehörigen versorgt, erhält ab einer wöchentlichen Pflegedauer von zehn Stunden zusätzliche Rentenversicherungsbeiträge aus der Pflegeversicherung.

Zusätzlich gibt es in vielen Unternehmen inzwischen Betriebsvereinbarungen, die betroffenen Arbeitnehmern flexible Lösungen eröffnen. Berufstätige Angehörige sind daher gut beraten, so früh wie möglich das Gespräch mit ihrem Arbeitgeber und der Pflegeberatung zu suchen.

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